David Knittel macht es jeden Morgen. Er sitzt in das Eisloch im zugefrorenen Bergsee von Arosa. «Ich bin viel weniger krank und auch entspannter im Alltag», sagt der Lehrer nach fünf Jahren Eisbaden. Knittel ist mit seinen Erfahrungen nicht allein. Es gibt zahlreiche Vorzüge, die Eisbadende ihrem Hobby zuschreiben. Doch was ist Einbildung, was wissenschaftlich belegt?
Der glückselige Hormonrausch
Klar ist: Eisbaden löst Hormonausschüttungen aus. Zuerst Stresshormone wie Cortisol, die Puls und Blutdruck hochschnellen lassen. Sobald der Körper realisiert, dass er ausser Gefahr ist, sprudeln die Glückshormone. Der freigesetzte Botenstoff Dopamin gilt dabei gar als Süchtigmacher – der Grund, warum viele immer wieder ins eiskalte Nass steigen.
Die Durchblutung wird angekurbelt, kurzfristig sogar im Hirn. Der unmittelbar auftretende, für manche aufputschend, für andere entspannend wirkende Effekt des Eisbadens ist physiologisch erklärbar.
Wir wissen, dass Eisbaden einen positiven Effekt hat auf die subjektiven Empfindungen. Was die physiologischen Parameter betrifft, haben wir aber nur Berichte von Einzelpersonen oder sehr kleinen Studienpopulationen.
Die Skepsis der Wissenschaft
Doch wie steht es um die gesundheitlichen Vorteile? Erich Hohenauer von der Fachhochschule SUPSI in Landquart forscht zum Eisbaden: «Wir wissen, dass Eisbaden einen positiven Effekt hat auf die subjektiven Empfindungen. Was die physiologischen Parameter betrifft, haben wir aber nur Berichte von Einzelpersonen oder sehr kleinen Studienpopulationen.» Heisst: Zu körperliche Anpassungen gibt es keine belastbaren Studien.
Eine Einschätzung, die auch der Arzt und Extremschwimmer Beat Knechtle teilt. Er sei in den vergangenen Jahren derart oft zu den Wirkungen des Schwimmens im Eiswasser gefragt worden, dass er einen Übersichtsartikel zu den Studien verfasst habe. Sein Fazit: Es gibt Hinweise auf gesundheitlichen Nutzen. Aber den könne man auch beim Joggen, Radfahren oder Schwimmen bei normalen Wassertemperaturen nachweisen. Was dafür spreche, dass der Effekt der sportlichen Betätigung und nicht der Wassertemperatur zuzuschreiben sei.
Streitpunkt Immunsystem
Erich Hohenauer fokussiert bei seinen Studien nicht auf das Eisschwimmen, sondern das Eisbaden. Aber auch er konnte weder auf Ruheherzfrequenz noch Blutdruck oder Immunsystem einen Einfluss nachweisen. «Das deckt sich mit der Literatur, heisst aber nicht, dass Eisbaden nicht guttun kann. Möglicherweise haben Eisbadende bei einer Krankheit weniger Entzündungsreaktionen. Sie fühlen sich weniger krank. Auch wenn die Krankheit genau gleich verläuft wie ohne Eisbad.»
Gesundheitsschub dank braunem Fett?
Kälte kann aber über die braunen Fettzellen tatsächlich einen positiven Effekt haben. Unter Kälteeinwirkung werden diese zu Heizkraftwerken. Sie verbrennen Fett und Zucker. Auch die Gesundheitswissenschaftlerin Carla Horváth von der ETH Zürich bestätigt die langfristige positive Wirkung auf das Körpergewicht: «Grosse Studien haben belegt, dass Menschen mit grösseren Mengen an braunem Fett ein geringeres Risiko haben, Diabetes Typ 2 zu erhalten.» Die Folgen des Eisbadens dürften also ein Zwischending sein aus eingebildeter und tatsächlicher Förderung der Gesundheit.