Peter Richner ist ein grundsolider Schweizer Ingenieur. Was der Vizedirektor der Materialprüfungsanstalt Empa zusammen mit seinem Team aber vorschlägt, ist unschweizerisch gross und weit gedacht. Weltweit will er der Luft grosse Mengen des Klimagases CO₂ wieder entziehen und den Kohlenstoff, das C aus dem CO₂, in Beton und anderen Baustoffen speichern. So soll die Atmosphäre über Jahrhunderte hinweg wieder «aufgeräumt» und die Temperatur zurückgedreht werden .
Die Zukunft des Bauens
«Würde es uns gelingen, weltweit 10 Prozent Kohle in den neu verbauten Beton zu bringen», sagt Richner, «so liesse sich die Temperatur innert 170 Jahren wieder um ein Grad nach unten drehen».
Eine weltweite Kohlenstoffindustrie
Schon heute wird verkohltes organisches Material, also Pflanzenkohle, in Beton eingearbeitet. Das funktioniert. Peter Richner denkt aber viel grösser. Er hat die Vision einer weltweiten neuen Infrastruktur: Da, wo günstig erneuerbarer Strom hergestellt werden kann, etwa in Wüstengebieten, soll mit Strom CO₂ aus der Luft gefiltert und gleichzeitig aus Wasser Wasserstoff hergestellt werden.
So kommt das CO₂ in den Beton
Lässt man diese beiden Stoffe zusammen reagieren, entsteht synthetisches Methan, also Erdgas. Dieses lässt sich via Pipelines oder Flüssiggastanker dahin bringen, wo es gebraucht wird – zum Beispiel in Industrieanlagen in die Schweiz. Verbrannt wird da aber nicht das Methan. Erst wird es pyrolysiert. Dabei entsteht auf der einen Seite wieder Wasserstoff für den Energieverbrauch und auf der anderen Seite bleibt hochreine Kohle, die in Baumaterialien verbaut werden kann.
Alternative für Ölstaaten
Warum der komplizierte Umweg? Es geht ums Geld. Wüstenstaaten wie etwa der Oman möchten weiterhin mit Energie Geld verdienen – neu einfach mit erneuerbarer Energie. «Wir arbeiten mit den Omanis zusammen», sagt Richner «für sie ist das ein Geschäft». Sie haben bereits Quadratkilometergrosse Testfelder in der Wüste ausgeschieden.
Viele offene Fragen
Nur, macht es wirklich Sinn, so viele neue Anlagen und Fabriken zu bauen, um das Klima zu schützen? Für Richner ist klar, dass wir für den Klimaschutz in der Schweiz zuerst weniger bauen sollten, bisherige Bausubstanz weiterverwenden und klimaschonende Baustoffe wie Holz oder Lehm benutzen wollten. «Für viele Anwendungen werden wir aber weiterhin Beton brauchen», sagt Richner, «für Fundamente etwa, für Brücken, Eisenbahntunnel und viele andere Infrastrukturen».
Eindrücklich ist die Höhe des Betonverbrauchs: In der Schweiz sind heute pro Kopf etwa 400 Tonnen Beton verbaut. Weltweit werden neu jedes Jahr 35 Milliarden Tonnen verbraucht. «Auch wenn das etwas abnimmt, lässt sich immer noch sehr viel CO₂ speichern», sagt Richner. Das bestätigt eine Studie aus Amerika, die soeben im Wissenschaftsmagazin Science publiziert wurde. Sie besagt, dass etwa die Hälfte unserer derzeitigen jährlichen Emissionen in Baumaterialien gespeichert werden könnte.
«Wir brauchen solche Negativemissionstechnologien wie den Kohlebeton», sagt Peter Richner «wenn wir das Klima retten wollen, müssen wir sogar brutal negativ werden». Wie weit die Idee der Forschenden umgesetzt wird, ist offen. Das Interesse der Bauindustrie zumindest ist am Wachsen.