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Wasserqualität in der Schweiz Leben im Grundwasser deutlich geschädigt

Im Grundwasser, tief im Boden, leben zahlreiche kleinste Tierchen, wie Flohkrebse. Unter Äckern gibt es aber fünfmal weniger Leben als unter dem Wald, wie Forschende herausgefunden haben. Das ist auch für unser Trinkwasser keine gute Nachricht.

Bis viele Dutzend Meter unter unseren Füssen gibt es Leben im Boden und im Grundwasser. «Wir waren selbst überrascht, wie viel Leben wir gefunden haben», sagt Florian Altermatt, Professor für aquatische Ökologie an der Universität Zürich und am Wasserforschungsinstitut Eawag.

An fast 500 Orten im Schweizer Mittelland hat er mit seinem Team Wasserproben aus Trinkwasserfassungen untersucht. Sie fanden mehr als 40 unterirdisch lebende Flohkrebsarten, darunter sieben neue Arten.

Das ganze Ökosystem ist gestört

Die nur wenige Millimeter kleinen Tierchen leben in ewiger Dunkelheit in Hohlräumen zwischen Kies und Steinen. Sie sehen aus wie kleine Garnelen und werden bis zu zehn Jahre alt.

Nicht überall kommen sie vor. «Wir haben das statistisch ausgewertet und gesehen, dass unter landwirtschaftlich intensiv genutztem Ackergebiet deutlich weniger Flohkrebschen leben», sagt Altermatt.

Die Vielfalt der Flohkrebschen

Marjorie Couton von der Eawag hat im Trinkwasser noch breiter nach Lebensformen gesucht – mittels genetischer Analysen. Gesucht hat sie etwa nach Mikroben, Einzellern, Fadenwürmern und Rädertierchen – das ist die Nahrung der Flohkrebse.

«Wir haben insgesamt fünfmal weniger Leben unter den Äckern gefunden als unter dem Wald», sagt Couton. Und diese Beeinträchtigung fanden die Forschenden je nach Fliessrichtung des Grundwassers noch bis zu einem Kilometer von den nächsten Äckern entfernt.

Wasserversorger sind besorgt

80 Prozent unseres Trinkwassers kommen aus dem Grundwasser. Die Schweizer Wasserversorger betrachten diese Forschungsresultate deshalb mit Sorge. «Man kann unser Trinkwasser zwar immer noch bedenkenlos konsumieren», sagt Christos Bräunle, Sprecher des Fachverbandes für Wasserversorger SVGW, «aber die zunehmende Verunreinigung des Grundwassers mit Nitrat, aber auch mit den Abbauprodukten von Pestiziden bereitet uns Sorgen.»

Ein Mann mit einem Schal um den Hals steht vor einem Gebäude.
Legende: Christos Bräunle, Fachverband für Wasserversorger: «Die zunehmende Verunreinigung des Grundwassers mit Abbauprodukten von Pestiziden bereitet uns Sorgen.» SRF

Den genauen Mechanismus, wie die chemischen Stoffe dem Leben im Grundwasser zusetzen, haben die Forschenden bisher nicht erforscht. Doch sie vermuten, dass dies auf ähnliche Weise geschieht wie an der Oberfläche: Dort leidet die Biodiversität erwiesenermassen durch die verschiedenen Spritzmittel.

Schutz der Zuströmbereiche soll helfen

Auch beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) stösst die Studie der Eawag auf Interesse: «Diese Studie schafft einen der weltweit umfangreichsten Datensätze über das Leben im Grundwasser», sagt Bafu-Sprecher Robin Poëll. Unter der Federführung des Bafu werde derzeit eine Änderung des Gewässerschutzgesetzes vorbereitet. Ziel ist es, das Einzugsgebiet der Trinkwasserfassungen – die sogenannten Zuströmbereiche – besser zu schützen.

Drei Personen stehen in einem Wald und schauen in einen geöffneten Deckel hinein.
Legende: Im Waldgebiet haben die Forschenden in den Trinkwasserfassungen viele Flohkrebschen gefunden. SRF

Aus diesen Bereichen fliesst 90 Prozent des Wassers zu den Grundwasserfassungen. Dort sollen dann – je nach Messungen im Untergrund – keine Spritzmittel mehr eingesetzt werden dürfen. «Mithilfe der Zuströmbereiche können die bestehenden Verunreinigungen des Grundwassers gezielt beseitigt werden», sagt Poëll.

Es dürfte jedoch Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis die chemischen Stoffe im Grundwasser abgebaut oder genügend stark verdünnt worden sind. Das Leben im Untergrund ist vermutlich auf viele Jahrzehnte hinaus deutlich geschädigt.

Info 3, 03.02.2025, 17:00 Uhr

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