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Dating-Dschungel Swipe-los glücklich – warum Offlinedating-Events beliebt sind

Wer heute auf Partnersuche ist, findet den Weg in die Zweisamkeit oft über Datingplattformen. Doch gerade jüngere Singles sind müde vom Swipen – und bevorzugen organisierte Events. Ein Besuch beim Pubquiz.

Nichts ist dem Zufall überlassen beim Single-Pubquiz in Bern. Zumindest anfangs. Auf Stehtischen brennen Kerzen. Daneben liegen sogenannte «Icebreaker»-Kärtchen, mit Fragen, die helfen können, eben – das Eis zu brechen. «Was kannst du nicht, was man können sollte?» oder «Erinnerst du dich an deinen ersten Kuss?»

Hände um einen Tisch mit Getränken und Karten.
Legende: Spätestens wenn das Eis in den Getränken geschmolzen ist, heisst es ran ans sinnbildliche Eisbrechen im Flirtgespräch. Dabei helfen Fragekärtchen, die die Stimmung auflockern. SRF/Michael Bolliger

Rahel, 34, diplomierte Marketingmanagerin, gehört zu den frühen Gästen an diesem Abend. Sucht sie jemand bestimmtes heute Abend? Muss ein potenzielles Match bei ihr viel wissen? Rahel lacht. «Das habe ich mir so noch gar nie überlegt. Ich spiele einfach gerne Pubquiz.» Einen Plan für den Abend hat sie sich nicht gemacht, mal schauen, was sich entwickelt.

Schau mir in die Augen, Baby!

Trotzdem ist es nicht zufällig, dass sie heute Abend nicht einfach mit zwei Kolleginnen in irgendeine Bar in Bern geht. An einem organisierten Single-Event wie diesem sei von Anfang an und für alle Beteiligten der Modus geklärt.

Im ersten Jahr hatten wir vier Events pro Jahr, jetzt sind es zehn pro Monat.
Autor: Laura Matter Mitgründerin der «noii land AG»

«So bin ich in einer Art Safe Space. Ich weiss: Hier sind alle Single und die Leute offen dafür, jemanden kennenzulernen. Und vor allem: Die Leute hier sind real, ich habe einen echten Menschen direkt vor mir, statt ein paar Bilder und irgendeine Bio auf einer Dating-App.»

Ein anderer drückt es so aus: «Wenn ich mit dir in echt rede, sehe ich deine Augen, nicht ein Foto.» Und eine weitere Teilnehmerin meint: «Auf meiner Dating-App sehe ich gefühlt 1000 Details zu einem Profil und wenn nur eines davon nicht passt, wusch, weg damit. Hier, wenn man Menschen real begegnet, kommt eine Art Würde zurück, die man online nicht mehr hat.»

Solche Sätze hört man unter den knapp 100 Teilnehmenden an diesem Abend in Bern immer wieder.

Physische Partnersuche: Die Nachfrage steigt

«Die Menschen sind müde vom Swipen», sagt Laura Matter, Co-Gründerin der Datingplattform «noii land». Sie organisiert mit ihrem Start-up solche Single-Events wie das Pubquiz in Bern. Ihr Unternehmen hat sie, zusammen mit zwei Partnern, im Februar 2022 gegründet.

«Die Single-Events hatten wir ursprünglich erfunden, um unser Video-Dating-Angebot zu promoten», sagt Laura Matter. Schnell wurde aber klar, dass die Nachfrage nach solchen Events gross ist. «Im ersten Jahr hatten wir vier Events pro Jahr, jetzt sind es zehn pro Monat.» Entsprechend ist auch die Firma gewachsen, innerhalb von drei Jahren von drei auf zehn Mitarbeitende.

Vergnügliche Versammlung

In Bern ist der Single-Event unterdessen in vollem Gang, die Stimmung lockerfröhlich, der Lärmpegel zeitweise ordentlich. Nach zwei Stunden ist das Pubquiz gespielt, ein Siegerteam erkoren, es gibt Applaus von allen.

Menschenmenge an Stehtischen bei einem Restaurantabend.
Legende: Sich im Dating-Dschungel zu orientieren, ist mühsam. Fixfertig organisierte Events mit klaren Rahmenbedingungen sind eine willkommene Alternative zu Dating-Apps. SRF/Michael Bolliger

Jetzt mischen sich die Anwesenden neu, sie kommen lieber zu zweit ins Gespräch. Wer am Ende mit wem eine Telefonnummer austauscht, ist allen selbst überlassen.

Ein paar Tage später erzählt Rahel am Telefon, dass sich für sie an diesem Abend nichts ergeben habe. Trotzdem habe sie ein paar interessante Menschen getroffen, sie fand den Abend cool.

Offline-Dating als Trend?

Präzise Statistiken gibt es nicht, aber es entsteht der Eindruck, dass Offline-Dating wieder im Trend ist, wenn man sich die Zahlen von «noii» ansieht. Auch bei anderen Anbietern weist die Entwicklung in diese Richtung.

«Schon der Blick auf die grossen Player, wie zum Beispiel Bumble zeigt das», sagt Laura Matter. Bumble organisiere auch in Zürich physische Single-Events. 2024 verzeichnete «barhopping.ch» 40 Prozent mehr Teilnehmende als im Vorjahr, schreibt Geschäftsführer Frederic Merz auf Anfrage von SRF.

Zurückhaltender dagegen die Einschätzung von Nick Ganz, Gründer und Inhaber von «speeddating.ch». Er kennt den Markt seit 20 Jahren. «Anbieter, die den Job gut machen, haben vielleicht Erfolg», sagt er, aber insgesamt sei der Markt nicht grösser geworden. Einige Anbieter für physische Single-Events in der Schweiz seien in den letzten Jahren auch wieder verschwunden.

Üppige Auswahl sorgt für Dating-App-Fatigue

Natürlich sind die digitalen Match-Maker wie Tinder und Co. nicht mehr aus dem Romantik-Geschäft wegzudenken, auch in der Schweiz. Die Möglichkeit, zuhause vom Sofa aus Millionen von Profilen das richtige zu finden, scheint für viele weiterhin attraktiv.

Gleichzeitig mehren sich Umfragen, die zeigen, dass sich vor allem jüngere Menschen überfordert fühlen, gerade mit der Vielzahl der Möglichkeiten. Von «Dating App-Fatigue», oder «Tinder-Müdigkeit», spricht die deutsche Sozialpsychologin Johanna Degen regelmässig in Interviews.

In der Kombination aus dieser Überforderung und der Qualität, die viele einer realen Begegnung zuschreiben, sind die Kommentare an der Single-Party in Bern zu verstehen. «Ich habe hier Glücksgefühle, wenn ich mit anderen reden kann», sagt einer der jüngeren Teilnehmenden.

Befremdliches oder blühendes Geschäft?

Manchmal töne es aber auch anders. Sie höre immer wieder, Single-Events seien doch nur für Leute, die sonst wirklich niemanden finden, «awkward», komische Stimmung und so, sagt Laura Matter. Vor allem von Männern höre sie das. Darum wünscht sie sich, natürlich auch im Sinne ihres Unternehmens, einen Imagewandel.

Gut zehn Jahre nachdem die ersten Dating-Apps aufgetaucht sind, ist es völlig normal, wenn Paare erzählen, sie hätten sich online kennengelernt. «Was Tinder und Co. geschafft haben, sollten wir jetzt auch für reale Single-Events erreichen», meint Laura Matter. Trotzdem, für sie ist das Geschäft mit der Liebe bereits jetzt ein Erfolg.

SRF3, Input, 16.2.2025, 20:03 Uhr

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