Weshalb sind Sie eigentlich hier? Nicht auf dieser Webseite oder in diesem Artikel. Sondern auf der Welt. Wofür existieren Sie? Hat Ihr Leben überhaupt einen Sinn? Wer sich diese Fragen schon einmal gestellt hat, weiss, wie zermürbend sie sein können.
Oder, Sie haben bereits die Bücher von John Strelecky gelesen und sich daraufhin flott eine Fünf-Punkte-Liste notiert, was Sie vom Leben möchten, was Ihnen wichtig ist.
Fünf fürs Leben
Der US-Amerikaner Strelecky ist Autor von Bestseller-Romanen wie «The Big Five for Life» oder «Das Café am Rande der Welt», in denen er sich mit grundlegenden Fragen des menschlichen Lebens beschäftigt.
Eine Idee darin: Fünf Dinge festzulegen, die wir während unseres Lebens am liebsten tun, sehen oder erleben wollen.
Wenn wir diese fünf Vorhaben realisieren und im hohen Alter darauf zurückblicken, so Strelecky, könnten wir zu uns selbst sagen: Ich habe das Leben gelebt, das ich mir erträumt habe, es war ein Erfolg.
Leben als Hausaufgabe
Klingt einfach. Aber funktioniert das auch wirklich? Ist das Leben am besten verstanden als eine (weitere) zu bewältigende Aufgabe? Und ist damit auch gleich der Sinn des Lebens gerettet?
Denn, seien wir ehrlich, aus der Perspektive des Universums ist die Menschheit nichtig, das einzelne Menschenleben verschwindend klein und unbedeutend. Dagegen würde nicht mal das Abarbeiten einer 1000-Punkte-Liste helfen.
Lebe Deinen Traum. Oder?
Klar, die Art und Weise, wie wir unser Leben führen, kann sinnvoll oder weniger sinnvoll sein. Und dafür kann eine Schärfung der Intentionen und Wünsche, wie Strelecky es vorschlägt, hilfreich sein.
Er selbst wollte ursprünglich nicht Autor, sondern Abenteurer werden und entschied sich zu einer Ausbildung als Pilot. Als er Anfang 20 war, wurde bei ihm jedoch eine sehr seltene Herzkrankheit entdeckt, die ihn daran hinderte, seinen Kindheitstraum zu verfolgen. Es sei für ihn ein Schock gewesen.
Finde Deinen Elefanten
Stattdessen ging er auf Nummer Sicher: Er wurde Unternehmensberater. Weil ihn die Entdeckerlust nicht verliess, entschied er sich später, mit dem Rucksack durch Afrika zu reisen. Auf dieser Reise wurde für ihn klar: Je früher wir verstehen, dass dieses Leben nicht unendlich ist, desto motivierter sind wir, es so zu gestalten, wie wir wirklich leben wollen.
Deshalb entwickelte er sein Konzept der Fokussierung auf die fünf wichtigsten Ziele der eigenen Lebensreise – anhand der «grossen Fünf», die man auf einer Safari in Afrika entdecken kann: dem Elefanten, dem Nashorn, dem Büffel, dem Löwen und dem Leoparden.
Endlichkeit als Motivation
Im Grunde gehe es um die Frage: «Was will man mit diesem Geschenk der ungefähr 28’900 Tage, die man bekommt, anstellen? Welchen Sinn hat all das?»
Hilfreich sei dabei der Gedanke an die eigene Endlichkeit und damit an die Exklusivität des Lebens: Wenn man zu erkennen beginnt, dass unsere Existenz nicht ewig und schon gar nicht immer gesund weitergehe, dann motiviere dies, das Leben, das man wirklich leben wolle, anzupacken und sich nicht mehr nur angenehm zu beschäftigen.
Die Frage danach, was ein gutes und gelungenes Leben ist und ausmacht, beschäftigt die Philosophie seit jeher. Aristoteles etwa sprach von der «Entelechie». Er meinte damit die Verwirklichung von Vermögen, die in uns (aber auch anderem Seienden) angelegt sind und welches Glück mit der Entfaltung des eigenen Wesens einhergehe.
Bloss nicht das eigene Leben verfehlen
Aber was, wenn man gar nicht weiss, was man wirklich möchte, was einen erfüllt? Oder wenn man Lebenswünsche hat, die sich nicht einfach erarbeiten oder erzwingen lassen: Kinder, eine liebende Familie, tiefe Freundschaften, gesellschaftliche Akzeptanz der eigenen Sexualität, ein Leben in Frieden, ohne Krieg?
Das Leben, so klingt es bei Strelecky, ist ein Projekt, das es möglichst gut zu absolvieren gilt und einem klaren Zweck dient. Wer diesen nicht entdeckt und erfüllt, scheint sein Leben zu verfehlen.
Durch Selbstoptimierung zum Lebenssinn?
Denken nennt Strelecky zudem «introspektive Arbeit». Gut möglich, dass man seinem Produktivitätsdrang die Herkunft in der Unternehmensberatung anmerkt. Aber ist das Leben am sinnvollsten gelebt, wenn wir es möglichst «amazing» zu machen versuchen?
Und kann ich selbst entscheiden, was ein sinnvolles Leben ist? Gibt es dafür nicht objektivere Kriterien? Und warum ist es eigentlich so erstrebenswert, «etwas aus dem eigenen Leben zu machen», seine Potenziale zu entfalten?
Versteckt sich dahinter nicht vielleicht eine Spielart von Selbstoptimierung und damit unserer Leistungsgesellschaft?
Danke für die Alltäglichkeit
Wäre es nicht einen Gedanken wert, dass im Alltäglichsten – dem Wachsen einer Knospe, dem Geschmack einer sonnengereiften Tomate, den Klängen einer Symphonie oder sogar den Tränen eines Mitmenschen – dass darin, im vertieften Wahrnehmen des Augenblicks, bereits das Staunenswerteste und Verblüffendste vorhanden ist?
Vielleicht also läge es für ein sinnerfülltes Leben näher, sich in Dankbarkeit zu üben, als Forderungen ans Leben zu stellen – und seien es auch nur fünf?
Dankbarkeit! Wenn es doch eine Liste sein soll, dann gehört Dankbarkeit am besten gleich mit notiert.