Manchmal wird das Stadion von Tottenham Hotspur (London) zu einem religiösen Ort. Zum Beispiel wenige Tage nach dem Angriff der Hamas auf Israel: Vor einem Heimspiel ihres Lieblingsklubs traf sich eine kleine Gruppe von jüdischen Fans in den Katakomben für ein Kaddisch, ein Totengebet. Die Tottenham-Fans gedachten der Opfer des Terrors.
Tottenham-Fans als «Yids» diskriminiert
In der langen Geschichte von Tottenham Hotspur, gegründet 1882, waren jüdische Fans und Spieler in der Minderheit. Trotzdem hat der Klub eine jüdische Identität. Der Grund: Ab den 1940er-Jahren wurden viele Tottenham-Fans, die im jüdisch geprägten East End von London lebten, von ihren Gegnern als «Yids» diskriminiert.
«Viele Tottenham-Fans machten sich diesen Begriff zu eigen und bezeichneten sich fortan selbstironisch als ‹Yid Army›», erläutert Antisemitismusexperte Pavel Brunssen, der jüdische Identitäten im Fussball erforscht.
Kippas in Vereinsfarben
Das Jüdische Museum Wien widmet dem Fussball nun eine Ausstellung, die noch bis Mitte Januar andauert. Ihr Titel «Superjuden» geht auf Amsterdam zurück. Dort mussten Fans des Vereins Ajax bereits in den 1970er-Jahren antisemitische Anfeindungen über sich ergehen lassen. «Als Gegenbewegung haben Ajax-Fans die Gruppe ‹Superjuden› gegründet», erzählt die Historikerin Agnes Meisinger, die die Ausstellung mit kuratiert hat.
Das Jüdische Museum Wien präsentiert insgesamt mehr als 40 Objekte aus dem jüdisch geprägten Fussball: Kippas in Vereinsfarben. Fahnen und Schals mit Davidstern. Pokale, Anstecker und historische Urkunden. Dazu Erläuterungen in einem zweisprachigen Ausstellungskatalog.
Antisemitismus im Stadion
Die Kuratorin Agnes Meisinger diskutiert am Beispiel von Tottenham und Ajax auch die Frage, ob der Fussball religiöse Themen banalisiert. «Es ist eine Form von kultureller Aneignung, die positiv gemeint ist», so Meisinger. In London haben Fussballverband, NGOs und Jüdische Gemeinde Kampagnen gegen die Nutzung des Begriffes «Yids» gestartet. «Aber die Fans wollen sich das nicht verbieten lassen.»
Auch im Umfeld von Ajax Amsterdam findet eine Debatte statt. Dort müssen Fans regelmässig antisemitische Gesänge ihrer Gegner erdulden, berichtet der Wissenschaftler Pavel Brunssen. Zum Beispiel den Hassgesang: «Hamas, Hamas, Juden ins Gas». Wie wird sich dieses Verhalten nach dem Angriff der Terrorgruppe Hamas auf Israel nun verändern?
Die Ausstellung «Superjuden» wird von einem Programm begleitet: Führungen, Workshops, Diskussionen mit ehemaligen Fussballern. Das Jüdische Museum Wien möchte mit Schülern und jungen Sportlern in einen Austausch über das Judentum treten, über Religion, Kultur, Identität, aber auch über Antisemitismus im Stadion. Es ist ein Thema, das weiterhin aktuell bleiben wird.