Für sein Buch «Bauen in Afrika – Cape to Cairo» begab sich Mike Schlaich aus Berlin auf «Ingenieursafari». Aufgeschrieben in Tagebuchform auf 240 Seiten, teilt er seine Eindrücke und analysiert Afrikas grösste Herausforderung: das rapide Bevölkerungswachstum und den dringenden Bedarf an Infrastruktur.
Bauen für Milliarden von Menschen
Schlaichs Tour war mehr als eine gewöhnliche Studienreise. Sie stellte die Frage, wie der massive Zuwachs der Bevölkerung Afrikas in den kommenden Jahrzehnten bewältigt werden kann.
«In den nächsten 30 Jahren werden in Afrika 1.3 Milliarden Menschen geboren. Sie brauchen Häuser, Schulen, Krankenhäuser, Strassen, Brücken. Eine riesige Ingenieuraufgabe», so Schlaich.
Tradition trifft auf Nachhaltigkeit
Für Schlaich ist dies weniger ein Problem als eine echte Chance. Sein Ansatz kombiniert traditionelle Bauweisen mit ressourcenschonenden Lösungen.
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Bild 1 von 4Legende: Ein Beispiel für eine traditionelle afrikanische Bauweise sind Qubbas, islamische Häuser mit Stein- oder Lehmziegelkuppeln, hier bei Old Dongola im Sudan. Mike Schlaich
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Bild 2 von 4Legende: Im Zeit- und Ortssprung zeigt sich der mehr als deutliche Unterschied zum heutigen Modernismus in kenianischen Nairobi. Mike Schlaich
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Bild 3 von 4Legende: Die im 17. Jahrhundert gebauten und teils heute noch genutzten Bogenbrücken aus Mauerwerk gehören zu den ältesten erhaltenen Brücken im Subsahara-Raum. Europäischen Steinbrücken ähnelnd, werden sie auch «portugiesische Brücken» genannt. Defecha-Brücke bei Gondar, Äthiopien. Mike Schlaich
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Bild 4 von 4Legende: Die 2018 eröffnete Source-of-the-Nile-Schrägseilbrücke bei Jinja in Uganda entspricht mit ihrer auf Beton und Stahl basierenden Konstruktion der gegenwärtigen Baukultur, welche auf Langlebigkeit und Minimalismus setzt. Mike Schlaich
Besonders die Nutzung erneuerbarer Energien hält er für entscheidend: «Afrika hat das ganze Jahr Sonne und starke Winde an vielen Küsten. Nachhaltige Energie wird die Zukunft Afrikas prägen. Wir können das fossile Zeitalter überspringen und direkt ins Zeitalter der Wind- und Solarenergie eintreten.»
Schlaich setzt auf lokale Materialien und ressourcenschonende Techniken. In Äthiopien sieht er grosses Potenzial in Bimsstein, einem leichten Gestein als Zementersatz: «Man kann Bims zu Pulver vermahlen und als Betonersatz verwenden. Das ist nachhaltiger Beton aus dem äthiopischen Boden.» Solche Lösungen könnten den Weg zu umweltfreundlichem Bauen ebnen.
Lebensverändernde Architektur
Parallel verfolgt der aus Burkina Faso stammende Architekt Francis Kéré einen ebenso visionären Ansatz für nachhaltige Architektur. Seine Projekte, wie das «Lycée de Gando» in Burkina Faso, zeigen, wie traditionelle Materialien wie Lehm und Holz genutzt werden, um stabile und nachhaltige Gebäude zu errichten.
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Bild 1 von 3Legende: Die Primarschule des Dorfes Gando in Burkina Faso. Architekt ist der aus Gando stammende und in Deutschland lebende Francis Kéré. Er widmet sich sozial und ökologisch nachhaltigen Projekten in Entwicklungsländern. Wikimedia Commons/GandoIT
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Bild 2 von 3Legende: Das Schulgebäude wurde 2001 gebaut und 2006 bis 2008 erweitert. Noch vor Abschluss seines Studiums wurde Kéré für den Entwurf und Bau der Schule in seinem Heimatdorf mit dem hochdotierten «Aga Khan Award for Architecture» ausgezeichnet. IMAGO/Le Pictorium
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Bild 3 von 3Legende: Das Gebäude zeichnet sich nicht nur durch die charakteristische rote Farbe des Lehms aus, sondern auch durch seine klaren Linien, die minimalistische Gestaltung und die sparsamen Akzente. IMAGO/Le Pictorium
Kéré arbeitet eng mit der lokalen Bevölkerung zusammen und integriert sie in den Bauprozess. «Es geht nicht nur um Architektur. Es geht darum, das Leben der Menschen zu verbessern», erklärt Kéré. Durch diese Zusammenarbeit entstehen funktionale und kulturell bedeutende Gebäude.
Obwohl Schlaich als Ingenieur und Kéré als Architekt unterschiedliche Fachrichtungen vertreten, eint sie die Vision einer nachhaltigen Bauweise, die an lokale Gegebenheiten angepasst ist. Beide wollen, dass Architektur und Ingenieurkunst eine lebenswerte Zukunft schaffen – sei es durch innovativen Brückenbau oder den kreativen Umgang mit traditionellen Baustilen.
Sie sehen in Afrika ein enormes Potenzial für nachhaltige Bauweisen und erneuerbare Energien. «Afrika kann vom vermeintlichen Problemkind zum Vorbild für nachhaltiges Bauen und visionäres Denken werden», so Schlaich.
Mit Afrika in die Zukunft
Die Arbeiten von Schlaich und Kéré zeigen, wie Afrika nicht nur vor Herausforderungen steht, sondern auch als Zukunftslabor für nachhaltige Architektur und Ingenieurkunst dienen kann. Mit kreativen Lösungen, die auf lokalen Ressourcen und traditionellen Techniken basieren, sowie einem starken Fokus auf erneuerbare Energien, hat Afrika das Potenzial, zukunftsweisende Bauansätze zu entwickeln.