In Bern ist es gerade kalt, nass und grau. Darum schlägt Ariane von Graffenried vor, dass wir uns zum Gespräch im Botanischen Garten treffen. Genauer: im Tropenhaus, wo es sommerlich warm und üppig grün ist.
Hier gehe sie oft hin, denn sie wohne gleich in der Nähe, sagt die quirlige Spoken-Word-Künstlerin. Sie setzt sich unter einen ausladenden Baum und klaubt ihr neustes Buch «Babylon Park» aus der Tasche.
Switchen zwischen den Sprachen
Die Berner Sprachkünstlerin Ariane von Graffenried liebt das Spiel mit den Sprachen. Wie eine Akrobatin jongliert sie mit Französisch, Englisch, Hochdeutsch und Mundart.
Poetisch kombiniert sie die Sprachen, montiert sie raffiniert und virtuos, geleitet von einem unüberhörbaren Sprachinstinkt. Klang, Reim und Assonanzen bestimmen die Kombinationen. Das Resultat ist witzig, hellsichtig, manchmal melancholisch und immer musikalisch.
«Dieses Spiel mit Sprache macht mir einfach Freude, weil ich mich bei der Arbeit selbst überraschen kann. Gleichzeitig ist dieses Switchen zwischen den Sprachen ein alltägliches Phänomen, das ich bei vielen Menschen wahrnehme, wenn ich ihnen zuhöre, im Bus, Zug oder Park», sagt die 38-jährige Spoken-Word-Poetin.
Das Körperliche der Sprache
Auffällig bei diesem Sprachspiel: Ariane von Graffenried landet immer wieder bei der Mundart. Der Dialekt scheint ein treuer und vertrauter Begleiter zu sein, der sich beim Sprechen einerseits vordrängt und andererseits auf die anderen Sprachen abfärbt. «Der Dialekt liegt mir gewissermassen immer im Mund», präzisiert von Graffenried.
Im Gedicht «Babylon Park» in ihrem gleichnamigen neuen Buch beschreibt sie das Körperliche der Sprache in der Zeile «Dr Dialäkt chläbt mer a dr Zunge», bevor sie schildert: «Je cherche les mots fürn e Überzügigsvers». Nun nimmt sie ihr Buch zur Hand und liest den Anfang des Gedichtes vor:
«Sitting on a bench in Babylon Park
Next to Mr. Perfect: my dialect
Qui est jaloux u chli toube
Wäg mire lifelong liaison
Avec l’allemand.»
Poly-Multi-Misch-Identität
Ariane von Graffenried steht nicht nur als Teil des Duos «Fitzgerald & Rimini» auf der Bühne. Seit 2009 ist sie auch Mitglied des Autorenkollektivs «Bern ist überall». Diese Gruppe macht sich dafür stark, dass alle Sprachen gleichwertig sind, dass es keine niederen und hohen Sprachen gibt.
«Den Dialekt mit anderen Sprachen zu kombinieren, ist ein Versuch, künstlerisch eine Poly-Multi-Misch-Identität herzustellen, in der der Dialekt auch selbstbewusst neben andere Sprachen steht», erklärt von Graffenried. Aber Achtung: Dabei will sie den Dialekt nicht als Sprache des Herzens verstehen.
«Es geht eher darum, dass es bei Sprachen keine Hierarchien geben muss. Sondern dass das Gemisch nicht nur Durcheinander, sondern auch Reichtum und Musik bedeutet», sagt von Graffenried.
Der Dialekt ist ein Hypochonder
Denn: Dem Kulturerbe Dialekt gehe es bestens, findet sie. Er sei wandelbar und brauche weder eine besondere Pflege noch einen Anwalt. Der Dialekt sei einfach ein unverbesserlicher Hypochonder.
In ihrem Text «Dialäktpfleeg» lässt sie ihn denn auch als eingebildeten Kranken auftreten, der sich aus den Fängen einer überfürsorglichen Mutter und einer resoluten Krankenschwester befreit. Dieser Text liest sich als pfiffiger Kommentar auf sprachpolitische Debatten.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 10.1.18, 8.20 Uhr