Raimund Rodewald steht in der weiten Landschaft des Klettgaus, im Rücken das Schaffhauser Landstädtchen Neunkirch, über sich den weiten Himmel. Der Wind pfeift über die freie Ebene, die im Hintergrund von den Ausläufern des Tafeljuras flankiert wird.
Der gross gewachsene, hagere Rodewald hat die Mütze weit über die Ohren gezogen und blickt kritisch in diese ausgeräumte Landschaft.
Böse Zungen reden auch von einer Agrarwüste – denn nach dem Krieg wurde die Landzusammenlegung im Klettgau geradezu militärisch durchexerziert. Hier entstand die Schweizer Kornkammer mit einer leistungsfähigen Agrarindustrie.
Qualitäten trotz Monotonie
Rodewald kennt die Schweizer Kulturlandschaften als Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz wie kein anderer und verteidigt sie mit glasklaren Argumenten. In der ausgeräumten Landschaft entdeckt er überraschende Qualitäten: etwa die beeindruckende Weite, die einen Wind und Wetter spüren lässt.
Und mehr noch. In dieser Monotonie findet Rodewald sogar vier von 39 charakteristischen Typen von Schweizer Kulturlandschaften: die meliorationsgeprägte Agrarlandschaft, die ländliche Dorf- und Weidelandschaft, die Mosaiklandschaft mit Wald und Wiesen an den Hängen der Juraausläufer und die Rebhänge.
Banalisierung der Landschaft vermeiden
Vor drei Jahren hat Rodewald einen Katalog mit 39 Kulturlandschaftstypen erstellt, die in der Schweiz noch anzutreffen sind. Der Anwalt der Schweizer Kulturlandschaften will diesen Katalog als praktisches Instrument verstanden wissen, um Landschaften überhaupt zu identifizieren und zu benennen.
Das sei wichtig bei Planungsfragen, sagt Rodewald. «Wir müssen die Qualitäten der Kulturlandschaften kennen. Wir müssen wissen, wie wir sie weiterentwickeln können, um die Banalisierung der Landschaften zu vermeiden.»
Rodewald erinnert daran, dass genau die Vielfalt der Schweizer Kulturlandschaften auf engstem Raum die eigentliche Basis und Ressource für den Tourismus sei.
Mit alten Sorten aufwerten
Darum wünscht sich Rodewald eine «Map of Switzerland» nach englischem Vorbild. Eine Karte, auf der die Kulturlandschaften abgebildet sind – als Sensibilisierungsinstrument.
«Das Faszinierende an der Landschaftsästhetik ist, dass man nicht nur das äussere Bild betrachtet. Sondern immer auch quasi hinter die Landschaft schaut und sich fragt, wer diese Landschaft gestaltet hat», erklärt Rodewald.
Er kommt wieder auf die ausgeräumte Landschaft hinter Neunkirch zu sprechen. Er weist hin auf die gemeinsamen Bemühungen der Vogelwarte Sempach, des WWF, eines Grossverteilers und der Bauern, diese Landschaft wieder zu reparieren und zu transformieren.
Buntbrachen, Sträucher, Bäume und ein gezielter Anbau alter Getreidesorten wie Emmer und Einkorn sollen die Landschaft wieder aufwerten.
Die Kulturlandschaft von morgen gestalten
An manchen Orten hat die Landschaft tatsächlich neue Konturen erhalten und Vögel wie Wachteln, Schwarzkehlchen und Schafstelze fühlen sich wieder wohl.
«Man spürt hier die Freude der Menschen, für diese geschundene Kulturlandschaft etwas zu tun», sagt Rodewald: «Wir sind heute aufgerufen, die Kulturlandschaft von morgen zu gestalten.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 9.1.18, 7.20 Uhr