Im «Büdeli» von Roger Dörig an der Poststrasse in Appenzell scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Raum mit dem knarrendem Holzboden und der niedrigen Holzdecke ist eine stimmige Mischung aus Laden und Werkstatt.
An den Wänden hängen reich verzierte Hosenträger und die berühmten Appenzeller Gürtel, die «Chüeligoode», daneben riesige Kuhglocken mit aufwändig gestalteten Riemen.
In der Mitte des Raumes steht ein grosser Tisch mit einem «Mise en place» aus Ledergürteln, fein bearbeiteten Kühen und Geissen aus Silber und Messing, Nägeln und Hammer.
Sennensattler statt Skirennfahrer
Mittendrin steht Roger Dörig. Eigentlich wollte er Profi-Skirennfahrer werden, erzählt er. «Ich hab im B-Kader der Schweizer Nationalmannschaft zusammen mit Bruno Kernen trainiert.»
Sportverletzungen machten seine Pläne zunichte. Statt den Berg runter zu sausen, half er seinem Grossvater in der Sennensattlerei. Dörig lernte, wie man Silber und Messing mit Punzen und Hammer ziseliert, treibt, bombiert und später poliert.
Diese Arbeit fordert Geduld und Präzision, aber auch gestalterisches Talent. Der Grossvater erkannte, dass sein Enkel begabt war und die nötige Leidenschaft für dieses traditionelle Handwerk hatte.
Vor 24 Jahren überliess er Roger Dörig die Werkstatt. Aus dem Skirennfahrer wurde einer der gefragtesten Sennensattler.
Besondere Kundenbeziehungen
Ein «Chüeligood» kostet gut und gerne 3'000 Franken. «Weil sich das nicht alle leisten können, mache ich am Anfang einen Gürtel mit nur zwei Tieren. Die anderen Motive kommen nach und nach dazu. So ergeben sich über die Jahre sehr besondere Kundenbeziehungen», erklärt Dörig.
Bei der Auswahl der Motive ist Dörig grosszügig, da der Gürtel nicht Teil der Appenzeller oder Toggenburger Tracht ist. Bei den Hosenträgern aber ist er konsequent: Auf dem Bruststeg gehören traditionellerweise Kühe, Geissen, Senn und Hirt; auf den Rückensteg Motive aus dem Appenzeller Brauchtum.
Als ein Autohändler sich Beschläge in Form von Autos wünschte, war er bei Roger Dörig an der falschen Adresse. Für einen Ausverkauf des Kulturerbes ist er nicht zu haben.
Handarbeit ist gefragt
Dörig kann sich diese Konsequenz leisten. In Zeiten der Globalisierung sind sein Handwerk und sein virtuoser Umgang mit dem Kulturerbe gefragter denn je. Das Authentische, die Handarbeit ist begehrt.
«Kunden aus dem asiatischen Raum wollen oft wissen, ob die Gürtel und Hosenträger wirklich hier hergestellt worden sind. Es ist eben unvorstellbar geworden, dass Produkte, die an einem Ort verkauft werden, auch an demselben Ort hergestellt wurden», erzählt Dörig.
Dass er für Barack Obamas Hund Bo ein Halsband herstellen durfte, kommentiert Dörig mit einem Lachen: Bo habe das Halsband mit einer ziselierten Schweizer und einer amerikanischen Flagge vermutlich nicht lange getragen.
Roger Dörig verzieht sich in den hinteren Teil seines «Büdelis» mit der langen Werkbank. Hier sägt er die Kühe, Geissen, Geigen, Blumen und Sennen aus Messing und Silberblech aus, und beginnt mit dem, was er am liebsten macht: dem Ziselieren. 700 «Iseli» stehen parat, damit Dörig mit feinen Schlägen den Metallfiguren ein traditionelles Leben einhauchen kann.