Die Pilotstudie zu Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche löste grosses Bestürzen aus: Über 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch konnten Historikerinnen und Historiker der Uni Zürich nachweisen.
Bis 2026 forschen sie weiter. Währenddessen wird an nationalen Massnahmen gearbeitet, die sexualisierte Gewalt und Vertuschung verhindern sollen. Nun wurde an einem Werkstattgespräch über den Stand der Dinge informiert. SRF-Religionsredaktorin Léa Burger ordnet ein.
Welche Massnahmen im Umgang mit sexuellem Missbrauch sind geplant?
Erste Massnahmen wurden bereits zur Publikation der Pilotstudie über sexuellen Missbrauch in kirchlichem Umfeld im September 2023 bekannt gegeben.
Besonders ist vor allem, dass die Bischöfe, Landeskirchen und Ordensgemeinschaften an einem Strick ziehen: nicht nur bei der Umsetzung der Massnahmen, auch bei der Kommunikation darüber. Dass sie gemeinsam auftreten, wäre vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen.
Wie steht es um die Meldestelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt?
Diese Forderung gibt es schon lange. Man hört Frust und Enttäuschung seitens der Betroffenen, dass man hier zwar Abklärungen getroffen hat, aber es noch keine Stelle gibt. Man hätte diese Stelle bereits letzten September installieren müssen: Nachdem die Pilotstudie veröffentlicht wurde, äusserten sich viele Menschen erstmals zu ihrer Missbrauchsgeschichte. Die Betroffenenorganisationen IG Missbrauch im kirchlichen Umfeld oder die SAPEC in der Westschweiz mussten zu dem Zeitpunkt viel auffangen. Alleine bei der IG MikU seien mehr als 50 Fälle bekannt geworden, berichtete die Präsidentin Vreni Peterer. Sie begleiten diese Betroffenen ehrenamtlich.
Für die Opferberatung wird man zukünftig mit den kantonalen Opferberatungsstellen zusammenarbeiten. Ab Januar 2025 soll eine nationale kirchliche Informations- und Koordinationsstelle eingerichtet werden. Die Prozesse für eine Melde- und Fallbearbeitungsstelle sind noch nicht ausgereift. Bischof Joseph Bonnemain sagte eingangs des Werkstattgesprächs: «Wir kommen nicht so rasch voran, wie es nötig und gewünscht wäre.»
Was macht die Umsetzung der Massnahmen so kompliziert?
Die römisch-katholische Kirche in der Schweiz sind sehr föderalistisch und autonom organisiert und gleichzeitig Teil einer Weltkirche. Das macht es kompliziert, denn sowohl die Bischöfe als auch die Landeskirchen oder Ordensgemeinschaften haben unterschiedliche Strukturen und Kulturen. In Klöstern beispielsweise gab es bislang kaum gut geführte Archive, geschweige denn Opferberatungs- oder Meldestellen, wie das in den Bistümern bereits der Fall war.
Wegen dieser Unterschiede, aber auch weil die Thematik an sich nicht neu ist, hätten die Verantwortlichen schon früher auf die Betroffenen hören und mit der Vorarbeit für eine unabhängige Melde- und Beratungsstelle beginnen sollen.
Wird es ein nationales kirchliches Straf- und Disziplinargericht geben?
Der Zusammenschluss der Landeskirchen hat diese Massnahme gefordert, die Bischöfe griffen sie auf. Bischof Felix Gmür und Josef Bonnemain waren für erste Abklärungen in den letzten Monaten zweimal in Rom. Der Papst zeigte offenbar Verständnis für das Anliegen. Auch, weil die Schweiz ein kleines Land sei.
Nun muss die Schweizer Bischofskonferenz einstimmig entscheiden, ob sie einen entsprechenden Antrag nach Rom schickt, um das Okay für Konzept und Umsetzung einzufordern. Damit ist zu rechnen. Offen bleibt, welche Kompetenzen das Gericht haben wird.