Die Bevölkerung in der Schweiz ist besonders bereit, Geld für Menschen in Not zu spenden. Der neueste Spendenreport der Zewo weist für 2022 Beträge von 2,5 Milliarden Franken aus. Davon gingen 418 Millionen Franken an die Ukraine.
Die grosse Summe sei das eine. Die hohe Bereitschaft das andere. «Spenden ist ein Ventil für gesellschaftliche Teilhabe», sagt Georg von Schnurbein, Professor für Stiftungsmanagement an der Uni Basel und Mitautor von «Gutes tun oder es besser lassen? Philanthropie zwischen Kritik und Anerkennung».
Wohlstand erhöht Spendenbereitschaft
77 Prozent der Bevölkerung spenden regelmässig. Auch die Zahl der Stiftungen nimmt hierzulande zu. Derzeit sind in der Schweiz 13’790 gemeinnützige Stiftungen verzeichnet. Dies setze, so von Schnurbein, wirtschaftliche Prosperität und Wohlstand voraus.
Die Bereitschaft, eine Stiftung einzurichten, sei auf ein ganzes Bündel von Motiven zurückzuführen: Leitend seien Werthaltungen, die durch Familie oder Religion vorgegeben sind. Auch Schicksalsschläge wie schwere Krankheiten von Angehörigen führen oft dazu, eine Stiftung zu gründen. Viel Geld fliesst etwa in die Krebsforschung.
Es geht darum, dass ich gebe, weil ich erwarte, dass auch mir einmal geholfen wird, wenn ich in Not bin.
Zum philanthropischen Handeln gehört auch das Engagement von Freiwilligen, das in der Schweiz ebenfalls verbreitet ist – in allen Altersgruppen. Auch wenn es dabei zu Verschiebungen gekommen ist. So ist es für Vereine schwieriger geworden, junge Menschen zu finden, die regelmässig ehrenamtliche Aufgaben übernehmen. Dagegen engagieren sich Jüngere punktuell stark, um Geflüchtete zu unterstützen oder das Klima zu schützen – ein Engagement, das als gesellschaftlicher Kitt wirkt.
Hat Spenden auch negative Seiten?
Altruismus beim Spenden sei immer auch mit einem Stück Egoismus verbunden, meint Georg von Schnurbein. Er nimmt dabei eine ökonomische Perspektive ein und spricht hier von einer «Austauschbeziehung»: «Es geht darum, dass ich gebe, weil ich erwarte, dass auch mir einmal geholfen wird, wenn ich in Not bin.»
«Es gibt nichts Gutes. Ausser man tut es.» Das Zitat von Erich Kästner scheint in Zeiten von Krieg und Krisen besonders aktuell. Doch an der Philanthropie gibt es auch vielfältige Kritik: Starke Geldgeber übten grosse Macht aus, ohne dass die Verteilung des Vermögens demokratisch ausgehandelt werde. Zudem würden sie den Staat aus der Pflicht nehmen, ihre eigenen Steuern optimieren und sich mit Stiftungen selbst Denkmäler setzen.
Woher kommt das Geld?
Eine solche Kritik sei populistisch und müsse relativiert werden, sagt von Schnurbein. Sie richte sich vor allem an den milliardenschweren Stiftungen in den USA aus. Die Rechtslage unterscheide sich jedoch von Land zu Land: Mit einer Stiftung liessen sich in der Schweiz kaum Steuern sparen. Die grössten Stiftungen würden hierzulande zudem nicht Milliarden, sondern höchstens 50 bis 60 Millionen Franken ausschütten. Ob für Bildung, Umwelt oder Kultur – die staatlichen Leistungen lägen jeweils weit darüber, sodass Stiftungen nur einen geringen politischen Einfluss hätten.
Trotz dieser Relativierung räumt von Schnurbein ein, dass es berechtigte Einwände gibt: etwa, wenn medizinische Studien durch Stiftungsgelder «gekauft» oder Stiftungen als Vorwand für Geldwäscherei oder als Hort für Oligarchengelder benutzt würden. Deshalb sei es wichtig, dass sich die Stiftungsverantwortlichen weiter um Transparenz bemühen, wie es der Swiss Foundation Code vorgibt.