Was ist passiert? Philipp Hildebrand sorgt mit einem Brief für Aufsehen, berichtet u. a. der «Sonntagsblick». Auch SRF liegt das Schreiben vor: Der Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft benutzt darin den Begriff «Enteignung», um zu beschreiben, was passiert, wenn für historisch belastete Kunstwerke Lösungen gesucht werden.
Was ist der Hintergrund? Der Bundesrat will eine Kommission für historisch belastetes Kulturgut einführen. Die Experten und Expertinnen dieser Kommission sollen unabhängige Lösungen finden und Empfehlungen dazu abgeben, wie mit heiklen Werken umgegangen wird. National- und Ständerat debattieren derzeit darüber, wie diese Kommission genau funktionieren soll.
Philipp Hildebrand schätzt in einem Schreiben zuhanden der zuständigen Kommission des Ständerats ein, welche Auswirkungen die Arbeit der Kommission haben könnte. Er kommt zum Schluss: Sollte die Kommission eine Rückgabe-Empfehlung abgeben, würde das «eine de facto Enteignung darstellen».
Was bedeutet das? Hildebrand bezieht damit Position, er argumentiert aus Sicht des Kunsthandels und der jetzigen Besitzer. Denn Werke, die eine unabhängige Kommission als problematisch einstuft, können auf dem Markt nicht mehr veräussert werden. Niemand würde sie kaufen. Es kommt also zu einem Wertverlust.
Warum ist das kontrovers? Hildebrand dreht das Problem um. Nicht die Opfer des Holocaust oder des Kolonialismus und ihre Entschädigung sind zentral, sondern heutige Besitzer, die auf dubiosen Wegen zu Kulturgut kamen, das zurückgegeben werden muss. Problematisch ist die Aussage auch, weil Philipp Hildebrand dem Zürcher Kunsthaus vorsteht.
Das Museum hat mit den Leihgaben aus der Bührle-Sammlung viele möglicherweise heikle Werke an den Wänden. Das Kunsthaus Zürich ist eine öffentlich subventionierte Institution, Stadt, Kanton und das Kunsthaus selbst setzen sich dafür ein, dass heikle Fälle unabhängig geklärt werden. Das kann unter Umständen auch eine Rückgabe bedeuten.
Welche Probleme gibt es noch? Hildebrand betont in seinem Schreiben, er stehe hinter dieser Position, argumentiert aber gleichzeitig: Eine solche Klärung bringe Nachteile für den jetzigen Besitzer: «Historisches Unrecht wird ersetzt oder ausgeglichen durch neues Unrecht». Er sagt also: Die Arbeit der Kommission würde neues Unrecht produzieren. Das ist problematisch. Ausserdem scheint Philipp Hildebrand seine Aussagen nicht mit dem Rest des Vorstands der Zürcher Kunstgesellschaft abgesprochen zu haben.
Wie kam es überhaupt zu dem Brief? Der grössere Zusammenhang ist ein Streit zwischen National- und Ständerat: Man ist sich uneins, wie viele Zähne die unabhängige Kommission erhalten soll. Zentral ist dabei die Frage, wie sie angerufen werden kann: soll das in Streitfällen möglich sein durch nur eine Partei? Das will der Nationalrat. Der Ständerat hingegen will, dass das nur beide Parteien gemeinsam können. Expertinnen sind sich einig: Das wäre ein Fehler und würde zu ganz wenigen Fällen führen.
Zwischen diesen Positionen steht die Debatte zurzeit. Die zuständige vorberatende Kommission des Ständerats (WBK-S) informiert sich vor ihrer nächsten Sitzung im Januar und hat darum bei diversen Fachleuten weitere Informationen erbeten. In diesem Zusammenhang kam es dann auch zu Hildebrands Brief.