Ein salomonisches Urteil gilt als gerecht, denn in der salomonischen Urteilsfindung ist die Richterin frei von eigenen Interessen: frei und unabhängig.
Genau diese Überlegung liegt der unabhängigen Kommission zugrunde, die die Schweizer Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) nun einrichtet. Denn: Diese Kommission entscheidet, unabhängig vom Stiftungsrat.
Ein einmaliger Machtverzicht
Diese Gewaltenteilung ist in der Schweizer Kulturlandschaft einzigartig. Hier wirkt eine private Stiftung als Pionierin und richtet unabhängige Strukturen für Entscheide ein, nicht die öffentliche Hand.
Im Bereich der öffentlichen Hand werden Entscheide nicht von unabhängigen Gremien getroffen: Schweizer Museen entscheiden bei Verdachtsfällen von Raubkunst selbst oder die Träger der Museen entscheiden. Über den Interessenskonflikt wird gern hinweggesehen, obwohl ein Museum dabei stets im Verdacht steht, die eigenen Bestände zusammenhalten zu wollen.
Ein neuer Wind in der Schweiz?
Aufhorchen lässt der Entscheid der SKKG, eine unabhängige Kommission einzurichten, auch, weil in der Schweiz sonst ein anderer Wind weht – wenn nicht sogar eher Windstille herrscht.
Für das Zürcher Kunsthaus berät derzeit ein runder Tisch über die Causa Bührle. Genauer gesagt: Er berät darüber, wer denn dereinst die Provenienzforschung der Bührle-Stiftung überprüfen soll.
Meinungsbildung am runden Tisch
Das dauert und es geht dabei um Meinungsbildung, nicht um Entscheide. Übrigens: Entscheiden wird dann die Bührle-Stiftung, ohne runden Tisch.
Die Einrichtung einer Kommission für strittige Fälle wird auch auf Bundesebene diskutiert und wurde von den Räten gutgeheissen. Wann sie kommt, ist unklar. Und: Dass diese Bundeskommission dann nicht entscheiden, sondern nur Empfehlungen abgeben wird, gilt als wahrscheinlich.
Eine Kommission aus Expertinnen
Während also anderswo zeitraubende Meinungsbildungsprozesse laufen oder zahnlose Kommissionen noch nicht eingesetzt sind, geht die SKKG mit einer unabhängigen Kommission voraus und besetzt sie mit ausgewiesenen Expertinnen und Experten.
Präsidiert wird das Gremium vom Juristen Andrea Raschèr, der das Kulturgütertransfergesetz auf die Beine stellte und Mitglied der Schweizer Delegation an der Washingtoner Konferenz 1998 war.
Eine diverse Kommission für mehr Akzeptanz
Dabei steht nicht nur die fachliche Qualifikation im Fokus, sondern auch die religiöse Diversität. Die unabhängige Kommission hat mehr als eine jüdische Position unter ihren Mitgliedern, sie besitzt sogar eine knappe jüdische Mehrheit.
Das ist wichtig: nicht, weil es vorausahnen liesse, wie hier entschieden wird. Aber die Zusammensetzung soll die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der Kommission bei Betroffenen und jüdischen Organisationen gewährleisten.
Ihre Arbeit soll die Kommission dieses Jahr aufnehmen. Welche Entscheide sie mit welchen Begründungen vorlegt, wird darüber entscheiden, ob die SKKG die selbst hoch gelegte Latte auch erreicht.