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Wiederentdeckung: Ein Klimaroman von C. F. Ramuz
Aus Künste im Gespräch vom 01.06.2023.
abspielen. Laufzeit 11 Minuten 56 Sekunden.
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SRF-Bestenliste Die besten Bücher im Juni

Der Verlust der Heimat, der leise Abschied vom geliebten Menschen und das Ende der Erde: Die Buch-Highlights des Monats im Countdown.

5. Mina Hava: «Für Seka» (16 Punkte)

Buchcover, auf dem der Titel «Für Seka» sowie der Anme der Autorin, Mina Hava, in weisser Schrift auf rotem Grund steht.
Legende: Mina Hava: «Für Seka». 278 Seiten. Suhrkamp 2023. Suhrkamp

Das Debüt der 25-jährigen Mina Hava erzählt die Geschichte einer bosnischen Familie in der Schweiz, die durch politische und soziale Umstände nirgendwo richtig zu Hause ist. Der Vater floh vor dem Krieg zu Beginn der 1990er-Jahre. Die Mutter ist Tochter sogenannter «Gastarbeiter». Und die Tochter sucht Boden unter den Füssen, indem sie gegen Verdrängung und Vergangenheitstraumata anschreibt.

Mina Havas Migrationstext stellt die dringlichen Fragen nach persönlicher Verortung sprachlich radikal neu – aus einem Steinbruch von Erinnerungsbildern und Recherchen entstehen stets neue, aber fragmentarisch und fragil bleibende Zusammenhänge.
Autor: Stefan Hüsler Bibliotheksleiter PBZ Pestalozzi-Bibliothek Zürich Schwamendingen

4. Herbert Clyde Lewis: «Gentleman über Bord» (22 Punkte)

Buchcover, auf dem ein Dampfschiff am Horizont der Sonne entgegen fährt. Im Vordergrund der Titel «Gentleman über Bord».
Legende: Herbert Clyde Lewis: «Gentleman über Bord». Aus dem Amerikanischen von Klaus Bonn. 176 Seiten. Mare 2023. MARE

Ein erfolgreicher Börsenmakler in der Krise unternimmt Ende der 1930er-Jahre auf einem Frachtschiff eine Reise im Pazifik. Durch ein Missgeschick fällt er frühmorgens über Bord. Das Meer zeigt sich sanft an diesem Tag. So ist der Gentleman überzeugt, dass das Schiff wenden und ihn sogleich retten wird – zu Recht?

In eleganter Sprache formt Herbert Clyde Lewis eine tragikomische Gesellschaftsparabel. Er erzählt von den Zuständen und Entwicklungen, die der Gentleman im Ozean durchmacht. Und vom Reim, den sich die anderen Passagiere auf sein Verschwinden machen. Das Buch erschien im Original 1937. Jetzt können wir dieses zeitlose kleine Meisterwerk endlich auch auf Deutsch entdecken.

Ein ergreifender, aufwühlender und zutiefst menschlicher Roman, der den Protagonisten wie die Leserschaft an existenzielle Grenzbereiche heranführt – und darüber hinaus.
Autor: Marianne Wille Literaturvermittlerin «literaturlabor.com»
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Herbert Clyde Lewis: «Gentleman über Bord»
Aus Literaturclub vom 11.04.2023.
abspielen. Laufzeit 10 Minuten 14 Sekunden.

3. Helga Schubert: «Der heutige Tag» (34 Punkte)

Buchcover, auf dem neben dem Titel «Der heutige Tag» ein gedeckter Tisch mit Blumen und Teller zu sehen ist.
Legende: Helga Schubert: «Der heutige Tag». 272 Seiten. dtv 2023. DTV

Die deutsche Schriftstellerin Helga Schubert ist 83, ihr Mann 96 Jahre alt – und pflegebedürftig. Schubert kümmert sich zu Hause um ihn. Rund um die Uhr ist sie für ihn da. Von diesem kräftezehrenden Alltag erzählt «Der heutige Tag».

Gleichzeitig findet Schubert sehr berührende Worte für die Liebe zu ihrem Mann. Das Buch ist ein poetisches Abschiednehmen. Anrührend, aber – und das ist der gelungene Balanceakt – an keiner Stelle kitschig.

Das Grossartige an ihren Texten ist, dass sie niemandem mehr etwas beweisen muss. Helga Schubert kann einfach schreiben.
Autor: Katja Schönherr Literaturredaktorin SRF

2. Lukas Bärfuss: «Die Krume Brot» (40 Punkte)

Buchcover, auf dem ein geteiltes Foto mit einer jungen Frau zu sehen ist, die von der Sonne geblendet wird.
Legende: Lukas Bärfuss: «Die Krume Brot». 224 Seiten. Rowohlt 2023. Rowohlt

Armut kann ganze Leben zerstören – auch in der reichen Schweiz. Davon erzählt der neue Roman «Die Krume Brot» von Lukas Bärfuss. Im Zentrum steht eine junge Frau mit italienischen Wurzeln im Zürich der 1960er- und 1970er-Jahre.

Sprachlich subtil und voll ergreifender Empathie schildert Bärfuss, wie deren Leben aufgrund materieller Not zur Hölle wird: Zwar rackert sich die Frau in der Fabrik ab, aber der Lohn reicht nicht aus, um sich und die kleine Tochter durchzubringen. In seinem Roman stellt Lukas Bärfuss die Grundfrage: Woran liegt es, wenn Lebenswege scheitern: an den Umständen? Oder auch am eigenen Unvermögen?

Atemlos folgt man dem Kampf der Romanheldin Adelina. Lukas Bärfuss fasst ihr Gehetztsein und Aufbegehren in präzise, schnelle Sätze, die eine ungeheure Sogwirkung entfalten.
Autor: Martina Läubli Kulturredaktorin «NZZ am Sonntag»

1. Charles Ferdinand Ramuz: «Sturz in die Sonne» (45 Punkte)

Buchcover, das auf abstraktem schwarz-roten Hintergrund in weisser Schrift Titel und Autorenname zeigt.
Legende: Charles Ferdinand Ramuz: «Sturz in die Sonne.» Aus dem Französischen von Steven Wyss. 200 Seiten. Limmat 2023. Limmat

Über 100 Jahre alt und trotzdem brandaktuell: 1922 veröffentlichte der Westschweizer Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz den Roman «Présence de la mort». Eine Dystopie, die davon handelt, dass die Erde auf die Sonne zufliegt und deshalb in wenigen Tagen verbrennen wird. Die Ernte verdorrt, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zwischen den Menschen zerfällt.

Unter dem Titel «Sturz in die Sonne» erscheint Ramuz’ Klimaroman jetzt erstmals auf Deutsch. Souverän übersetzt von Steven Wyss, ist diese Entdeckung eine kleine Sensation und das Buch der Stunde.

Was tun die Menschen, wenn ihnen das Ende droht? Laut Ramuz halten sie die Beständigkeit der Dinge für so beständig, dass sie sich niemals ändern wird. Ein Satz, dessen Bedeutung weit über den Roman hinausreicht und andeutet, woher das beklemmende Gefühl beim Lesen dieses nachdenklichen Textes rührt.
Autor: Robyn Muffler Co-Chefredaktorin bei «041 – Das Kulturmagazin»

So entsteht die SRF-Bestenliste

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Die SRF-Bestenliste wird jeden Monat von einer Fachjury bestimmt. Zur Jury gehören 55 Buchkritikerinnen, Bibliothekare, Buchhändlerinnen, Literaturwissenschaftler und Vertreterinnen von literarischen Institutionen.

Jedes Jurymitglied darf jeweils bis zu vier Titel, deren Veröffentlichung nicht länger als sechs Monate zurückliegt, für die SRF-Bestenliste nominieren. Die Punktewertung funktioniert wie folgt:

  • 1. Platz: 7 Punkte
  • 2. Platz: 5 Punkte
  • 3. Platz: 3 Punkte
  • 4. Platz: 1 Punkt

Die vergebenen Punkte werden addiert und ergeben die jeweilige Reihung. Jedem Jurymitglied steht es frei, weniger (oder auch gar keinen) Titel zu nominieren. Sobald ein Titel drei Mal auf der SRF-Bestenliste vorgekommen ist, wird er gesperrt, um einen gewissen Titelumlauf zu gewährleisten.

Im Sinne einer grösstmöglichen Transparenz, Objektivität und Unparteilichkeit im Abstimmungsverfahren dürfen keine Bücher nominiert werden, deren Autor:in Mitglied der Jury ist.

Die Jurymitglieder von A bis Z

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Radio SRF 2 Kultur, Künste im Gespräch, 01.06.2023, 09:05.;

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