Im politischen Diskurs der Schweiz tauchen immer wieder Begriffe auf, die die Debatte prägen: In den 1990er-Jahren war es der Röstigraben, der Schlagzeilen machte. Etwa 1992, als die Westschweiz den EWR-Beitritt wollte, die Deutschschweiz ihn hingegen ablehnte.
Vom Rösti- zum Stadt-Land-Graben
Seit den 2010er-Jahren ist es der Stadt-Land-Graben, der für Diskussionen sorgt – beispielsweise 2012 bei der Zweitwohnungsinitiative, als die städtischen Gebiete die Berggebiete überstimmten. Das Gegenteil geschah vor einem Jahr, als die Stimmenden auf dem Land die Pestizid- und die Trinkwasserinitiativen bachab schickten, zum Leidwesen einer Mehrheit der Städterinnen und Städter.
Alter könnte zentraler Faktor werden
Wenn man nun die Resultate der jüngsten Umfrage zu den Abstimmungen vom kommenden 15. Mai anschaut, dann könnte das Alter ein zentraler Faktor werden. So zeigen die Ergebnisse des Forschungsinstituts GFS Bern im Auftrag der SRG SSR, dass jüngere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der geplanten Änderung des Transplantationsgesetzes deutlich häufiger zustimmen als ältere: So gibt es bei den Jungen 75 Prozent Zustimmung zur sogenannten Widerspruchslösung, bei den Pensionierten hingegen nur 56 Prozent. Es sind also viel mehr Jüngere dafür, dass Verstorbene grundsätzlich als Organspender gelten, wenn sie sich nicht vor ihrem Tod dagegen geäussert haben.
Kritischer bei Frontex
Genau umgekehrt ist es bei der Frontex-Vorlage: Bei der Altersgruppe bis 40 Jahre wollen nur 44 Prozent den Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex unterstützen; bei den Pensionierten sind es dagegen ganze 75 Prozent.
Und auch bei der Änderung des Filmgesetzes – der sogenannten «Lex Netflix» – zeigt sich dieser Unterschied: Die Jungen stehen der Vorlage etwas kritischer gegenüber als die Älteren. Gemäss GFS Bern sagen 54 Prozent der Jungen Ja zur Abgabe für Streamingdienste, bei den über 65-Jährigen sind es 61 Prozent.
Widerstand der Jungparteien
Bei der «Lex Netflix» stehen die Jungen ja sowieso im Fokus: Denn sie nutzen Streamingplattformen überdurchschnittlich häufig. Ausserdem waren es drei bürgerliche Jungparteien, die das Referendum gegen die Vorlage ergriffen haben.
Am 15. Mai dürfte das Alter der Stimmenden also eine Rolle spielen – dass die Jungen aber den Ausschlag geben werden, ist unwahrscheinlich: Die Altersgruppe ist zu klein, um entscheidend zu sein. Kommt hinzu, dass sich die älteren Jahrgänge häufiger an Abstimmungen beteiligen.
Doch der kommende Abstimmungssonntag hat auf jeden Fall das Potenzial, die Jungen in Scharen an die Urne zu locken.