Die Schweiz stimmt über eine Investitionspflicht für Streamingdienste und für Anbieter von ausländischen Fernseh-Werbefenstern ab. Die Gegnerinnen argumentieren, mit der Einführung einer solchen Investitionspflicht würden die Abo-Preise für Streamingdienste wie etwa Disney+ oder Netflix steigen.
Das stimmt nicht, kontern die Befürworter: Auch die Nachbarländer in Europa kennen solche Investitionspflichten oder Abgaben – einen Einfluss auf die Abo-Preise sehen sie nicht. Wer hat recht? Entscheidend, um das beurteilen zu können, ist das europäische Umfeld.
Wann wurden in anderen Staaten solche Investitionspflichten eingeführt – und hatte dies einen Einfluss auf die Abo-Preise? Ausgehend davon begann die Redaktion der «Arena» zu recherchieren, welche Länder seit wann eine Investitions- oder Abgabepflicht kennen.
«Mandatory Investment» und «General Obligation»
Ausgangspunkt war diese Karte im Abstimmungsbüchlein: Als Quelle wird hier der Bericht der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle angegeben. In diesem Bericht wiederum wird unter anderem zwischen «Mandatory Investment» und «General Obligation» unterschieden.
«Mandatory Investment» bedeutet, dass in den davon betroffenen Ländern für Streamingdienste in irgendeiner Form eine finanzielle Investitions- oder Abgabepflicht gilt. «General Obligation» heisst, dass die Streaminganbieter dazu angehalten sind, die Produktion und den Zugang zu europäischen Werken zu fördern.
Eine «generelle Verpflichtung» oder «General Obligation» bedeutet also keineswegs, dass Streamingdienste in diesen Ländern finanziell in das europäische oder nationale Filmschaffen investieren müssen.
Nicht in den gleichen Topf also
Es ist also nicht richtig, alle Länder, die über ein «Mandatory investment» oder eine «General Obligation» verfügen, in denselben Topf zu werfen, so wie das im Abstimmungsbüchlein des Bundes geschehen ist.
Die «Arena» hat in der Folge auch einzelne Länder konkret überprüft: So kennt etwa Schweden keine Investitions- oder Abgabepflicht, anders als auf der Karte im Abstimmungsbüchlein eingezeichnet. Dasselbe gilt für die Niederlande.
Auf Anfrage schreibt die Bundeskanzlei am Samstag: «Um leserlich zu bleiben, mussten die Informationen dieses Berichtes vereinfacht werden. Zu den Ländern mit Investitionspflicht werden deshalb auch jene Länder gezählt, in denen für Streaminganbieter eine generell formulierte Investitionsverpflichtung gilt.»
Generell ist es sehr schwierig, genau herauszufinden, in welchem Land aktuell welche Regeln für Streamingdienste gelten. Noch schwieriger ist daher die Frage zu beantworten, ob die Abo-Preise für Streamingdienste mit der Einführung einer Investitions- oder Abgabepflicht tatsächlich steigen würden oder nicht.
Bericht ist veraltet
Tatsächlich ist es so, dass die Abopreise zum Teil gestiegen sind. Ob Investitions- oder Abgabepflichten dafür die Ursache sind, ist jedoch nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Dies gilt allerdings auch für das Gegenteil. Ob Befürworter oder Gegner in dieser Sache recht haben, sprich ob Abo-Preise in Zusammenhang mit Investitions- oder Abgabepflichten stehen oder nicht, bleibt also offen.
Sicher ist jedoch: Der im Abstimmungsbüchlein als Quelle verwendete Bericht ist veraltet. Etliche Angaben sind überholt, da sich in vielen Ländern mittlerweile die Gesetzgebung verändert hat. Dies bestätigt auch eine der Co-Autorinnen der Studie: «Die Kartenübersicht im Bericht von 2019 ist mittlerweile ein wenig überholt.» Zudem hätten sich die Regeln in der EU massiv geändert. Deshalb gebe es einige Aspekte zu aktualisieren, sagt sie weiter.
Die Bundeskanzlei schreibt in Bezug auf die Verwendung dieses Berichts als Grundlage für die Grafik: «Einen neueren Bericht gibt es nicht. Die Auflagen für Streaminganbieter sind in einigen Ländern im Wandel. Tendenziell geht die Entwicklung in die Richtung einer Verstärkung der Investitionspflicht für Streaminganbieter». Dass der Trend in diese Richtung geht, trifft wohl zu. Es gibt auch EU-Richtlinien, die darauf abzielen. In welcher Form und inwiefern diese jedoch in die nationalen Gesetzgebungen übernommen werden, ist in vielen Ländern noch unklar.
Das Fazit lautet also, dass die Datenlage und damit aber auch die Argumentationsgrundlage in Sachen Abopreisen auf beiden Seiten dünn ist und die Karte im Abstimmungsbüchlein so nicht korrekt.
Der Artikel wurde am Samstagnachmittag mit der Stellungnahme durch die Bundeskanzlei aktualisiert.