Es ist ein nüchterner Auftritt Anfang Woche. Umweltminister Albert Rösti erläutert in Sempach (LU) das Klimaschutz-Gesetz. Ziel des Gesetzes: Die Schweiz soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Für Rösti ist sein erster Abstimmungskampf eine Gratwanderung – noch im Herbst hatte er als Nationalrat im Referendumskomitee gegen das Gesetz geweibelt.
Man muss ihm attestieren, dass er sich bemüht hat.
Die Befürworter des Klimaschutz-Gesetzes, die in Sempach an einer Podiumsdiskussion teilnehmen, finden den Auftritt des Umweltministers in Ordnung. «Man muss ihm attestieren, dass er sich bemüht hat», sagt der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller. Mitte-Nationalrätin Priska Wismer sieht es ähnlich. Allerdings: «Ein bisschen mehr Enthusiasmus hätte ich mir schon gewünscht.»
Albert Rösti ist immer noch unser Bundesrat. Er muss nun halt ‘Seich’ erzählen.
Der Walliser SVP-Nationalrat Michael Graber ist gekommen, um das Nein-Lager zu vertreten. Dass Albert Rösti heute auf der anderen Seite steht, stört ihn nicht. «Albert Rösti ist immer noch unser Bundesrat. Er muss nun halt ‘Seich’ erzählen.»
Die «Rundschau» hat Albert Rösti in seinen ersten Bundesratsmonaten begleitet. Der Rollenwechsel mache ihm keine Mühe: «Wenn ich Angst gehabt hätte, ich müsse mich verbiegen und ich könne das nicht, dann hätte ich nicht als Bundesrat kandidiert», sagt er im Gespräch. Im Bundesrat müssten alle immer wieder Dinge vertreten, die nicht auf ihrer Linie lägen. «Sonst würde das Kollegialgremium nicht funktionieren.»
Natürlich stelle er jene Argumente in den Vordergrund, die er für richtig halte. «Damit ich dem, was ich früher gesagt habe, nicht völlig widerspreche.»
Verspätet ans Ministertreffen
Und Rösti nutzt den Spielraum eines Bundesrats – in seinem Umwelt- und Energiedepartement setzt er eigene Akzente. So betont er im laufenden Abstimmungskampf stets, Klimapolitik fange mit Energiepolitik an und nicht umgekehrt.
Um in der Schweiz den Zubau von Sonnen- und Wasserkraft – zentrales Thema im Energiegesetz – voranzubringen, reist er auch am mal verspätet an eine Ministerkonferenz der EU. Wegen einer Sitzung der ständerätlichen Umweltkommission begann das Treffen der deutschsprachigen Umweltministerinnen in Luxemburg vor zwei Wochen ohne ihn.
«Manchmal muss man halt ein bisschen einen Spagat machen», sagt Rösti. «Die Revision des Energiegesetzes hat für mich eine höhere Priorität als ein solches Treffen.» Weil es aber auch wichtig sei, seine Amtskolleginnen persönlich zu kennen, fuhr er dann doch noch nach Luxemburg.
Stromversorgung «ohne Scheuklappen»
Auch seine Partei vergisst er nicht. Den Ausbau der Stromversorgung will Rösti «ohne Scheuklappen» forcieren. Damit signalisiert er, dass er längerfristig auch für Atomkraft offen wäre.
Parteikollege Graber nimmt den Ball auf. Er hofft, dass der Umweltminister das Verbot des Baus von Atomkraftwerken schon bald wieder auf die politische Tagesordnung setzt. «Damit wir nochmals darüber abstimmen und das Verbot endlich streichen können.»