Das ist die Ausgangslage: In der Schweiz sind die AKW Beznau 1 und 2, Gösgen und Leibstadt in Betrieb. Für diese gibt es keine vorgegebenen Laufzeiten. Solange die AKW vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI als sicher eingestuft werden und sich für die Betreiber aus finanzieller Sicht lohnen, bleiben sie am Netz.
2018 wurde das Kernenergiegesetz revidiert und an die Energiestrategie 2050 angepasst. Seither sind der Bau neuer Atomkraftwerke sowie die Wiederaufbereitung von radioaktivem Abfall verboten.
Das fordern FDP und SVP: «Wir müssen weiterhin auf Kernenergie setzen, sonst haben wir ein gigantisches Problem», sagte FDP-Präsident Thierry Burkart kurz nach der Annahme des Klimaschutz-Gesetzes. Auch SVP-Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher sprach sich für Investitionen in die Kernkraft aus.
Für FDP-Ständerat Ruedi Noser ist klar, dass die Klimaneutralität bis 2050 nur erreicht werden kann, wenn die bestehenden AKW weiter betrieben respektive erneuert werden. Beznau 1 und 2 sollen so lange betrieben werden, wie sie sicher sind. «Wenn sie nicht mehr sicher sind, soll man ein neues Reaktorgebäude bauen», so Noser. «Denn wenn diese AKW Anfang 2030, 2031 abgeschaltet werden, haben wir weniger Elektrizität als vorher, auch wenn man alle erneuerbaren Energien ausbaut.»
Das sagt die Energiebranche: Anders als die FDP sieht es Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). Zwar müsse man die Befürchtung einer Stromlücke ernst nehmen, wenn die politischen Akteure nicht rasch handelten. Auch eine Betriebsdauer der AKW Gösgen und Leibstadt von 70 bis 80 Jahren sei denkbar, wenn die Sicherheitsvorgaben eingehalten werden. Diese zwei AKW wären aufgrund ihres Alters auch am ehesten für eine Verlängerung geeignet, so Frank.
Doch aus Sicht des VSE ist der Weg zurück zum Atomstrom nicht nötig: «Die finanziellen Mittel und die Technologie wären in der Schweiz vorhanden, es sind gesellschaftlich-politische Hürden, es braucht dringend mehr Akzeptanz für den Ausbau», so Frank. So habe die Politik zum Beispiel beim Zubau der erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren nicht vorwärtsgemacht.
Das zeigt eine Studie: Die Stromversorgung der Schweiz ist laut Frank bis 2050 auch ohne Atomenergie gewährleistet. In Zusammenarbeit mit der Empa hat der VSE eine Studie zur Energiezukunft der Schweiz im Jahr 2050 erarbeitet. Die Studie zeigt: Die Versorgungssicherheit und das Erreichen der Klimaziele sind am ehesten gewährleistet, wenn die Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energie hoch und die energiepolitische Kooperation mit Europa eng ist.
Die Studie geht in allen Szenarien davon aus, dass die AKW nach einer Laufzeit von 60 Jahren vom Netz genommen werden. «Der Wegfall fossiler Energieträger gäbe eine enorme Effizienzsteigerung und eine vier- bis sechsmal geringere Abhängigkeit von ausländischer Energie», so Frank.
Noser hingegen weist darauf hin, dass der VSE mehr als zehn Prozent Strom im Winter importieren will. «Mit der Kernkraft müssen wir etwa drei Prozent importieren.» Ausserdem habe der letzte Winter gezeigt, wie unsicher die Stromproduktion aus Europa sei. «Es kann relativ schnell ein Problem in der Schweizer Stromversorgung geben.»