- Nach der ersten GFS-Hochrechnung reagieren die Befürworter der Ehe für alle erfreut. «Das sei ein riesiger Schritt für eine offene, tolerante und vielfältige Schweiz.»
- Die Gegnerseite spricht dagegen von einem Verfassungsbruch und einem «schwarzen Tag für die Kinder».
Beim Ja-Komitee war die Erleichterung nach dem deutlichen Abstimmungsergebnis spürbar: Es sei ein Ja klares Zeichen für die Gleichstellung, die Familienvielfalt und den Schutz der Kinder, sagte Co-Präsidentin Maria von Känel. Sie sei froh, dass sich die Bürgerinnen und Bürger von den «Falschinformationen» der Gegnerinnen und Gegner der Vorlage nicht hätten beirren lassen, sagte von Känel.
Die Unterstützung von Kinderrechtsorganisationen wie Pro Juventute und Pro Familia hätten viel dazu beigetragen. Denn mit dem Ja würden die Kinderrechte gestärkt. Alle Kinder müssten ab Geburt eine rechtliche Sicherheit haben.
Einige Fragen blieben jedoch noch offen, sagte Känel in Bezug auf private Samenspenden und Samenbanken im Ausland. Diese müssten nun im Zusammenhang mit dem Abstammungsrecht geklärt werden. Ausserdem brauche es nun eine nationale Elternzeit. Diese müsse auf alle Eltern ausgeweitet werden, unabhängig von der Familienkonstellation.
«Gleiche Liebe, gleiche Rechte»
Mit einem riesigen roten Herz mit der Aufschrift: «Gleiche Liebe, gleiche Rechte» feierte die Operation Libero den Abstimmungssieg auf der kleinen Schanze – mit Sicht auf das Bundeshaus in Bern. Das Hochzeitsfoto-Shooting mit drei Pärchen, zwei Männern, zwei Frauen und ein heterosexuelles Paar symbolisiere, dass endlich alle drei Paare den Bund des Lebens eingehen könnten. Das klare Ja sei ein klares Indiz, dass die Mehrheit der Gesellschaft vielfältigen Lebensformen «viel offener und fortschrittlicher» gegenüber stehe.
Doch die «Ehe für alle» sei nur ein Etappen-Sieg, schrieb die Organisation. Denn der Staat privilegiere immer noch gewissen Lebensformen gegenüber anderen. Deshalb forderten sie als nächstes die Einführung der Individualbesteuerung, einer «geregelten Lebensgemeinschaft für unverheiratete Paare», eine vereinfachte Elternschaft und ein modernes Sexualstrafrecht.
Die Gegner der Vorlage sprechen von einem schwarzen Tag für das Kindswohl. Verena Herzog, Nationalrätin der SVP, von der Seite der Gegner der Vorlage spricht gar von einem Verfassungsbruch. «Es kann nicht sein, dass eine Verfassung jeweils nach dem Zeitgeist umgedeutet wird». Selbst wenn es als «modern» gelte, Kindern bis zu ihrem 18. Lebensjahr die Identität ihres Vaters vorzuenthalten, werde sie sich weiterhin für das Kindswohl einsetzen. Herzog rechnet damit, dass nun weitere Forderungen gestellt würden.
Genau diese «Salamitaktik» befürchtet auch Nationalrätin Monika Rüegger (SVP/OW) vom Komitee gegen die «Ehe für alle». Sie wisse, dass entsprechende Vorstösse bereits in der Pipeline seien. Dabei gehe es zum Beispiel um die Leihmutterschaft oder die Eizellen-Spende. Auch Mehrehen seien nun nicht mehr ausgeschlossen, sagte Rüegger. Doch dann werde sie die Mitteparteien und die Linken im Parlament beim Wort nehmen. Denn diese hätten bei den vergangenen Debatten versprochen, dass weitere Liberalisierungen nicht infrage kämen.