Die Kommunikation: «Am Anfang gab es eine Art Schockstarre», erinnert sich Alain Berset, der damalige Gesundheitsminister. Die Informationen hätten sich ständig geändert. «Man konnte mir zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas mit Bestimmtheit behaupten und fünf Stunden später sagen: ‹Eigentlich ist das Gegenteil korrekt›. Die einzige Option in dieser Situation war, zu sagen, was man weiss, zu sagen, was man nicht weiss und dass sich die Dinge ändern können.»
Das ganze Gespräch mit Alain Berset (mit deutschen Untertiteln)
Die Angst vor dem Virus: «Am Anfang war der Druck brutal», erinnert sich Berset. «In den ersten Monaten war es Arbeit ohne jegliche Unterbrechung. Man konnte nur wenig schlafen, versuchen, sich ab und zu gesund zu ernähren.» Und er fügt hinzu: «Ich wusste nicht, ob ich einem solchen Druck standhalten würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, das auszuhalten.»
«Ich hatte keine Angst vor dem Virus», versichert er. Als Gesundheitsminister hat er sich aber darauf geachtet, nicht krank zu werden, «wegen der Signalwirkung, wenn ich nicht verfügbar gewesen wäre, um die Krise zu bewältigen, während genau das von mir erwartet wurde». Er sei daher extrem vorsichtig gewesen: «Das ist einer der Gründe, warum ich monatelang so gut wie keine sozialen Kontakte hatte – um nicht krank zu werden.»
Die Sicherheit: Die Sichtbarkeit des Bundesrats während der Krise hatte Sonnen- und Schattenseiten. «Tausende, Zehntausende von positiven Briefen und Nachrichten, über die wenig gesprochen wurde» – aber es gab auch «alle politischen Konsequenzen in Bezug auf Sicherheit, Morddrohungen und der Brutalität einer sehr kleinen Minderheit».
«Es war eine Krise mit Auswirkungen auf Unsicherheiten und Stress für die Bevölkerung. Nicht jeder reagiert auf diesen Stress gleich. Einige werden gewalttätig. Ich habe monatelang unter ständigem Schutz gelebt», etwas, das «für ein Land wie die Schweiz wirklich ziemlich spektakulär ist».
Die Wissenschaft: Hätte die Regierung der Wissenschaft besser zuhören müssen, als die Krise noch in ihren Anfängen steckte? Bersets Antwort: «Zu Beginn war die Stimme der Wissenschaft nicht wirklich hörbar und auch nicht gut koordiniert, alle haben sich in ihren eigenen Bereichen geäussert.»
Aber bereits ab März 2020 entstand eine «recht vorbildliche Zusammenarbeit» mit den verschiedenen Taskforces, die über zwei Jahre lang zur Verfügung standen, um Meinungen und Empfehlungen abzugeben. «Oft empfahlen die Experten viel härtere Massnahmen, weil sie darauf abzielten, die gesundheitlichen Risiken zu verringern», während die Regierung versucht habe, ein Gleichgewicht zu finden zwischen restriktiven Massnahmen zur Risikominimierung und dem Bestreben, das soziale und wirtschaftliche Leben nicht vollständig zum Erliegen zu bringen, wie Berset erklärt.
«Es hat eine Weile gedauert, bis wir gut zusammengearbeitet haben», gibt der Freiburger zu und sagt weiter: «Ich muss sagen, dass mir dieser Austausch mit den Experten heute fehlt, ich mochte diesen Austausch sehr. Ich habe enorm viel gelernt.»