Die Stimme ist ruhig und gefasst, er sagt, dass er sich sicher fühlt. Dennoch steht Ri Il Gyu unter Schutz, seit er übergelaufen ist. Der ehemalige politische Berater der nordkoreanischen Botschaft in Kuba floh im November 2023 mit seiner Familie nach Südkorea. Er verliess Havanna mit einem Flugzeug über ein Drittland. Eine Entscheidung, die er seiner Frau erst im letzten Moment mitteilte. «Nach langer Erklärung war meine Familie damit einverstanden», erzählt der Geflüchtete im Westschweizerer Fernsehen RTS.
Wir alle haben nur ein Leben. Aber das der Nordkoreaner ist ein primitives Leben.
Auf der Durchreise in Genf sagt der einstige hochrangige Diplomat, er sei geflohen wegen der Korruption des nordkoreanischen Regimes und den Spannungen mit dem Ministerium, welchem er unterstellt war. Heute prangert er an, was Machthaber Kim Jong-un seiner Bevölkerung antut.
«Wir alle haben nur ein Leben. Aber das der Nordkoreaner ist ein primitives Leben. Sie leben als Sklaven und sterben als Sklaven. Den so elendig lebenden Nordkoreanern möchte ich so bald wie möglich ein würdevolles Menschenleben geben.»
«Diktatorische Dynastie»
Die Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea werden regelmässig von den Vereinten Nationen angeprangert. In den vergangenen Jahren hat sich Zwangsarbeit institutionalisiert, wie das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte beispielsweise diesen Sommer berichtete. Die Ernährungssicherheit bleibt ein Problem, der Gehorsam erfolgt aus Angst.
Vor diesem Hintergrund verschärft das nordkoreanische Regime den Ton gegenüber seinem südlichen Nachbarstaat. Seit Ende 2023 betrachtet Pjöngjang die Südkoreaner nicht mehr als «entfernte Landsleute», sondern als «Feinde». Mitte Oktober sprengte Nordkorea Strassen- und Bahnabschnitte, die früher für den grenzüberschreitenden Handel genutzt wurden. Dies ist nur eine von vielen Episoden, welche die zunehmenden Spannungen verdeutlicht.
Für Ri Il Gyu ist klar, dass Kim Jong-un versucht, seine diktatorische Dynastie fortzuführen, indem er die wenigen Beziehungen zu Südkorea abbricht. Aus Sicht von Pjöngjang würde eine Wiedervereinigung der beiden Koreas zum Zusammenbruch des Regimes führen.
Schlechtes Bild von Pjöngjang
Während der Norden sich weiter vom Süden entfernt, nähert es sich Moskau weiter an. Nachdem im Juni eine strategische Partnerschaft zwischen Nordkorea und Russland unterzeichnet wurde, prangert der Westen nun die Entsendung Tausender nordkoreanischer Soldaten nach Russland an, eine Nachricht, die Ri Il Gyu überrascht.
«Ich schämte mich sehr, als ich sah, dass nordkoreanische Soldaten in ein anderes Land gingen, um für ein anderes Land zu kämpfen», erklärt der Ex-Diplomat. «Ich habe Mitleid mit ihnen. Es ist ein Phänomen, welches man nur in Nordkorea sehen kann, einem Land, in dem man nichts aus eigenem Willen tun kann. Auch das ist eine schwere Menschenrechtsverletzung.»
Eine Stationierung, die ein schlechtes Bild von Pjöngjang zeichnet, so der ehemalige nordkoreanische Diplomat. Das Bild eines Regimes, das auf alle Forderungen von Wladimir Putin nur wohlwollend reagieren kann.