Für viele Teenager sind Tiktok, Snapchat und Co. kaum noch aus dem Alltag wegzudenken. Man vernetzt sich mit Freunden, bleibt über mehr oder weniger weltbewegende Dinge auf dem Laufenden, die gerade trenden. Oder man lässt sich ganz einfach von dem unablässigen Strom an Memes und Videos berieseln.
Das klingt erst einmal harmlos. In den letzten Jahren werden die Gefahren der Plattformen aber zunehmend kritisch diskutiert. Im Fokus stehen dabei das Suchtpotenzial und die Folgen für die psychische Gesundheit der Heranwachsenden.
Mobbing, Hatespeech, sozialer Druck
Christian Montag ist Professor für molekulare Psychologie an der Universität Ulm. Die sozialen Medien und deren Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gehören zu seinen Forschungsschwerpunkten.
«Jugendliche sind auf den Plattformen mit Cybermobbing und Hassrede konfrontiert», beschreibt Montag die Schattenseiten von Social Media. «Gerade junge Mädchen werden durch die ständige Konfrontation mit geschönten Bildern unter Druck gesetzt.»
In einigen Ländern ist inzwischen die Politik aktiv geworden. Das jüngste Beispiel ist Australien. Dort hat das Parlament vor wenigen Wochen das weltweit strengste Social-Media-Gesetz verabschiedet: Ab Ende 2025 ist es unter 16-Jährigen verboten, Social-Media-Plattformen zu nutzen.
Die Debatte nimmt weltweit Fahrt auf. Der US-Bundesstaat Florida plant ein ähnliches Verbot wie Australien. Norwegen hat die Nutzung sozialer Medien für unter 13-Jährige bereits eingeschränkt. Und eine Umfrage im Auftrag der Tamedia zeigte jüngst: Fast 80 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten sprechen sich für ein Verbot von Social Media für unter 16-Jährige aus.
Verbieten oder heranführen?
Derweil gibt es auch Stimmen, die sagen, Jugendliche müssten einen gesunden Umgang mit sozialen Medien lernen. Der Tenor: Früher oder später kommen sie ohnehin damit in Kontakt, also seien Verbote kontraproduktiv.
Auch Psychologe Montag anerkennt: «Wir leben in einer digitalen Gesellschaft. Ab einem gewissen Alter ist es notwendig, junge Menschen an diese Plattformen heranzuführen.» Medienerziehung an Schulen sei unabdingbar und auch die Eltern müssten sich mit Tiktok und Co. vertraut machen.
Insofern könne der Sinn von «knallharten Verboten» wie in Australien durchaus hinterfragt werden. Der Experte warnt aber eindringlich davor, dass sich bereits Kinder auf den Portalen bewegen. Denn dafür seien die Gefahren zu gross.
Social Media haben viele Gesichter
Der Psychologe mahnt zudem an, in der Debatte zu differenzieren: Vom Design über den Algorithmus, der darüber entscheidet, welche Inhalte angezeigt werden, gibt es nämlich grosse Unterschiede bei den Social-Media-Plattformen. «In der Tendenz zeigt sich aber, dass Plattformen wie Tiktok und Instagram eher mit Suchtpotenzial assoziiert sind.»
Das Grundübel sieht Montag aber im Geschäftsmodell der Plattformen: «Solange eine Industrie Geld damit verdient, dass Online-Zeiten verlängert werden, bin ich sehr skeptisch.» «Gesunde» Plattformen könne es kaum geben, solange sie versuchten, die Menschen möglichst lange in der Werbeschlaufe zu halten und möglichst viele kommerziell verwertbare Daten über sie zu sammeln.
Entsprechend sei eine Alternative zu Verboten, das Geschäftsmodell der Plattformen neu aufzustellen. Wie das geschehen kann, ist allerdings offen.