Wenige Minuten nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien sind in Bern die Drähte heissgelaufen. Bereits am Montagmorgen entschied das Aussendepartement (EDA), die Schweizer Rettungskette in die Türkei zu entsenden. 80 Personen umfasst das Schweizer Team, darunter sind Hundeführerinnen, Bergungsspezialisten und medizinisches Personal.
Nach einem Erdbeben zählt jede Minute. Die Schweiz setzt dabei nicht auf Berufshelfer, sondern auf das auch sonst oft beschworene Milizprinzip. So stand eine Hundeführerin, die aktuell in der Türkei im Einsatz ist, am Montagmorgen noch im Klassenzimmer. Denn nur etwa ein Viertel der 80 Aufgebotenen sind Retter im Vollamt.
Wenn ein Erdbeben passiert ist und es könnte sein, dass wir gehen müssen – von da an ist man wirklich wie auf Nadeln.
Wie der Leiter des laufenden Einsatzes beim Aussendepartement (EDA), Martin Jaggi, ausführt, gehören zu ihnen unter anderem auch Berufsoffiziere oder -offizierinnen der Armee oder Mitarbeitende der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. «Und dann haben wir auch Berufsleute im Milizsystem. Sie sind Profis in ihrem Berufsalltag und auch Profis, wenn sie in der Rettungskette dienen.»
Einsatzentscheid muss sehr schnell erfolgen
Solche Milizhelfende können beispielsweise Angehörige der Rettungstruppen der Armee sein. Medizinisches Personal, das normalerweise in Spitälern arbeitet. Hinzu kommen die freiwilligen Hundeführerinnen und -führer von Redog. Die Rettungskette kann so dank des Milizprinzips rasch auf Spezialisten zurückgreifen, die Praxiserfahrung haben.
Es handelt sich dabei um eine Anzahl von Leuten, die der Bund gar nicht in ausreichender Zahl sinnvoll beschäftigen könnte. Weil es nach einem Erdbeben schnell gehen muss, ist bei den Milizhelfern aber grosse Flexibilität nötig. «Die wissen, dass es bei der Rettungskette sehr schnell gehen kann. Jede Minute zählt», betont Jaggi.
Sie sind mental so eingestellt, dass sie relativ schnell entscheiden, ob Sie mitkommen können oder nicht.
«Sie sind mental so eingestellt, dass sie, wenn sie den Anruf kriegen, relativ schnell entscheiden, ob sie mitkommen können oder nicht», so Jaggi weiter. Deshalb steigt bei vielen Mitgliedern der Rettungskette die Anspannung schon mit den ersten Meldungen von schweren Erdbeben, wie etwa bei Hundeführerin Marina Tulinski.
Arbeitgeber will Tulinski nicht im Weg stehen
Zu Hause liegen bei ihr verschiedene Kisten mit Ausrüstung stets vorgepackt bereit. «Wenn wir vorgewarnt werden, dass ein Erdbeben passiert ist und es sein könnte, dass wir gehen müssen – von da an ist man wirklich wie auf Nadeln», sagt Tulinski. Sie meldet sich dann jeweils in ihrem Büro, einem Grosshandel für Schuhmacher in Thun.
So habe sie auch am Montag ihrem Chef geschrieben und konnte auf Unterstützung zählen. Denn wer für die Rettungskette vorgemerkt ist, trifft verbindliche Absprachen mit dem Betrieb. Tulinski, die am Ende doch nicht aufgeboten wurde, würde dann von ihrem Arbeitgeber freigestellt.
Wir wollen sie auf jeden Fall bei ihrer wertvollen Hilfsarbeit unterstützen und nicht im Weg stehen.
Dadurch entstehen zwar Lücken. Jedoch würden bei einem Rettungseinsatz eben auch viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die eigene Arbeit hintanstellen. Der Chef von Tulinski, Dan Roth, sagt: «Wenn sie dann für längere Zeit fehlt, ist das nicht ganz einfach. Einsätze sind aber nun mal nicht planbar. Wir wollen sie auf jeden Fall bei ihrer wertvollen Hilfsarbeit unterstützen und nicht im Weg stehen.»