Existenzbedrohende Ereignisse wie Kriege oder Wirtschaftskrisen lösen Ängste aus. Aber auch die Veränderung des Klimas gehört dazu. Die Psychologie hat dafür den Begriff «Klimaangst» geschaffen. Antworten zum Problem der Menschen, die Klimakrise in ihrer Grösse zu begreifen von Katharina van Bronswijk, Sprecherin der Organisation «Psychologist for Future».
SRF News: Wie oft kommen Menschen mit Klimaangst in ihre Praxis?
Katharina van Bronswijk: Tatsächlich machen sich viele Menschen Sorgen wegen der aktuellen ökologischen und gesellschaftlichen Krisen. Klimaangst ist allerdings keine behandlungsbedürftige Störung. So begegnet mir das Thema in der Praxis nur in dem Masse, wie es auch im Alltag der Fall ist.
Eine Behandlung im eigentlichen Sinn braucht es also nicht?
Nein. Denn Angst als Emotion ist wie alle anderen Basisemotionen ein evolutionär sinnvolles psychisches Phänomen. Es zeigt uns, dass wir uns in einer potenziellen Bedrohungslage befinden. So ist auch die Klimaangst ein Hinweis darauf, dass wir handeln sollten. Sie ist somit sinnvoll und nicht behandlungsbedürftig.
Auch die Klimaangst ist ein Hinweis darauf, dass wir handeln sollten.
Inwiefern ist denn der Klimawandel überhaupt ein psychologisches Problem?
Die Psychologie als Wissenschaft vom menschlichen Verhalten und Erleben kann ganz gut erklären, wie die Lücke zustande kommt zwischen dem, was wir wissen, dass wir es tun müssten und dem, was wir tatsächlich tun. Sie kann etwa erklären, warum es so schwierig ist, die Klimakrise in ihrer Grösse zu begreifen oder welche Hindernisse es für umweltrelevantes Verhalten gibt.
Die «Psychologists for Future» gehen davon aus, dass der Klimaschutz vernachlässigt wird, weil ihn die Menschen aus Angst verdrängen. Ist aber nicht vor allem die Bequemlichkeit der Menschen das Problem?
Ganz viele Gründe tragen dazu bei, dass Menschen nicht so handeln, wie sie müssten. Vordergründig sind es Lobby-Interessen und Machthierarchien, die politisches Handeln behindern. Dazu kommen Gründe, die im Individuum liegen und die psychologisch erklärt werden können. Etwa, warum die Klimakrise als hochkomplexes Problem für unser Gehirn nicht so gut verständlich ist, sich weit weg anfühlt und wenig Handlungswillen auslöst.
Angst ist vor allem dann lähmend, wenn man keinen Ausweg hat und es keine Kanäle für dieses Gefühl gibt.
Ebenso können wir erklären, warum die Abwehr unangenehmer Emotionen dazu beiträgt, bestimmte Themen von sich wegzuhalten. Angst ist vor allem dann lähmend, wenn man keinen Ausweg hat und es keine Kanäle für dieses Gefühl gibt. Man müsste also dringend vermehrt über Lösungen und Massnahmen diskutieren.
Verzicht ist auch kein schönes Gefühl. Könnte es auch daran liegen, dass die Menschen nicht gerne verzichten?
Verzichtsdiskurse werden sehr gerne geführt. Es sollte meines Erachtens aber mehr über die Chancen der Transformation gesprochen werden und darüber, was wir eigentlich brauchen, um glücklich zu sein. Es braucht nicht so viel Überfluss, wie wir ihn aktuell haben und auch Genügsamkeit kann die Lebenszufriedenheit stark steigern. Ich muss nicht eine Flugreise machen können, um ein glücklicher Mensch zu sein.
Sagen Sie das als Therapeutin oder als Klimaaktivistin?
Sowohl als auch.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.