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Hightech aus der Schweiz Zu Besuch bei Lio, dem Pflegeassistenzroboter

Es klingt futuristisch, wird aber seit einigen Jahren ausprobiert: Ein Roboter, der in Altersheimen und Kliniken die Pflege unterstützt. Ist das die Lösung für den drohenden Personalmangel in der Pflege? SRF macht den Realitätscheck.

Eigentlich ist Lio ein Industriearm auf einem fahrbaren Untersatz. Trotzdem sieht er ziemlich herzig aus mit seiner Greifzange, die wie ein Schnabel wirkt, seinen blauen Augen und seinen orangen Flecken.

Lio steht an der Wand, geparkt vor einer kleinen weissen Kiste, seinem Ladegerät
Legende: Mittagspause Während die Menschen zu Mittag essen, tankt Lio an seiner Ladestation neben der Rezeption Energie. Tanja Eder

Dutzende Lios arbeiten heute in Schweizer Altersheimen und Kliniken. Auch in der Reha-Klinik Zihlschlacht (TG) ist seit vier Jahren ein Lio tätig.

Pflegeassistent Lio fährt seine Runden

Seine Hauptaufgabe besteht darin, Botengänge für das Pflegepersonal und die Rezeption zu erledigen. Jeden Morgen fährt er seine Runde von Station zu Station, damit das Personal seine Laborproben in die graue Kiste legen kann. Pünktlich ist er zurück an der Rezeption, damit die Proben abgeschickt werden können.

Das kann Lio

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  • Lio kann zum Beispiel Dinge transportieren oder Besucher zum richtigen Zimmer führen.
  • Er kann Türen öffnen und die Bewohner im Zimmer an Termine erinnern.
  • Er kann Wasserflaschen verteilen oder Dinge vom Boden aufheben.
  • Lio kann sich vorstellen, Witze erzählen, das Wetter vermelden und einfache Turnübungen vorzeigen.
  • In der Nacht kann er Patrouille fahren und unübliche Situationen melden.

Während der Corona-Pandemie hat Lio in Zihlschlacht des Nachts mit einer speziellen Lampe die Türklinken desinfiziert. Inzwischen hat diese Aufgabe wieder das Reinigungspersonal übernommen.

Daneben erheitert Lio Patienten oder Heimbewohnerinnen mit Witzen und Geschichten. Damit «aktiviert» er die Senioren und Seniorinnen und sorgt für Abwechslung und Gesprächsstoff.

Die Kommunikation mit Lio funktioniert über seinen Kopf. Ihn einmal herunterzudrücken, bedeutet: «Ja» oder «Okay» – es ist ein Nicken. Den Kopf zur Seite zu schieben heisst: «Nein» – es ist ein Kopfschütteln.
Lio versteht auch Sprachbefehle – allerdings nur, wenn das gewünschte Stichwort deutlich gesprochen wird. Komplexere Befehle gibt das Personal via App am Computer ein. Zum Beispiel, wenn sie eine neue Route planen müssen.

Handarbeit statt künstliche Intelligenz

Lio steckt noch in der Pilotphase. Sein Hersteller, F&P Robotics aus Zürich, entwickelt ihn konstant weiter. Dafür ist der enge Austausch mit den Heimen und Kliniken wichtig: Was funktioniert gut, wo treten unerwartete Probleme auf? Wie reagieren die Patienten, was wünscht sich das Personal?

Herzig, aber nicht menschlich

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Lio sieht nicht aus wie ein Mensch. Das sei bewusst so, sagt Albino Miglialo von F&P Robotics. Niemand solle den Eindruck bekommen, der Roboter trete mit Menschen in Konkurrenz.

Trotzdem soll er sympathisch wirken, nicht wie eine Maschine aussehen. Tests haben gezeigt, dass Lio mit aufgeklebten Augen viel besser ankommt als ohne. Studien zeigen auch: Wirkt ein Roboter «herzig», trifft er bei den Nutzenden auf viel mehr Akzeptanz, Fehler werden eher verziehen und Menschen helfen den Maschinen eher aus der Patsche, zum Beispiel, wenn sie irgendwo feststecken.

Da die Sicherheit bei einem Pflegeassistenzroboter an oberster Stelle steht, wird alles von Hand programmiert. Generative künstliche Intelligenz kommt derzeit nicht zum Einsatz, weil das Risiko zu gross ist, dass ein Chatbot Blödsinn erzählt oder ein selbst fahrendes System einen Senior umfährt.

Intimität unerwünscht

Auch bei der Auswahl von Aufgaben für Lio geht das Entwicklerteam sorgfältig vor. Wo wird sein Einsatz gewünscht, wo nicht?

Eine Umfrage bei Senioren zeigt: Viele sind glücklich damit, wenn ihnen ein Roboter den Kaffee bringt. Sich von einem Roboter waschen zu lassen, können sich hingegen die wenigsten vorstellen.

Auch die Pflegefachkräfte werden eng einbezogen: Wo macht ein Einsatz Sinn? In Zihlschlacht schätzen sie die Botengänge zum Beispiel sehr. Eine Pflegerin erzählt: «Am Morgen sind wir mitten in der Pflege. So können wir alles in die Kiste legen und es ist versorgt.» Dass Lio Pflegeaufgaben am Patienten übernimmt, sei nicht wünschenswert, schon nur, weil ein Roboter körperliche Warnsignale eines Patienten wie einen Hautausschlag übersehen könne.

Einig sind sich Patienten und Pflegende auch, dass ein Roboter niemals den menschlichen Kontakt ersetzen dürfe. Selbst dann nicht, wenn die Technologie in Zukunft dazu in der Lage sein sollte.

Lio trägt eine graue Kiste auf dem Rücken und fährt durch eine offene Schiebetür
Legende: Lio bei der Arbeit In seiner Kiste transportiert Lio Gegenstände, Post und Laborproben zwischen den verschiedenen Stationen hin und her. Neben seinem allmorgendlichen Rundgang wird er am Tag auf fünf bis zehn spontane Botengänge geschickt. Tanja Eder

Radio SRF 1, Regionaljournal ZH, 4.11.2024 17:30

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