Eigentlich ist Lio ein Industriearm auf einem fahrbaren Untersatz. Trotzdem sieht er ziemlich herzig aus mit seiner Greifzange, die wie ein Schnabel wirkt, seinen blauen Augen und seinen orangen Flecken.
Dutzende Lios arbeiten heute in Schweizer Altersheimen und Kliniken. Auch in der Reha-Klinik Zihlschlacht (TG) ist seit vier Jahren ein Lio tätig.
Pflegeassistent Lio fährt seine Runden
Seine Hauptaufgabe besteht darin, Botengänge für das Pflegepersonal und die Rezeption zu erledigen. Jeden Morgen fährt er seine Runde von Station zu Station, damit das Personal seine Laborproben in die graue Kiste legen kann. Pünktlich ist er zurück an der Rezeption, damit die Proben abgeschickt werden können.
Daneben erheitert Lio Patienten oder Heimbewohnerinnen mit Witzen und Geschichten. Damit «aktiviert» er die Senioren und Seniorinnen und sorgt für Abwechslung und Gesprächsstoff.
Die Kommunikation mit Lio funktioniert über seinen Kopf. Ihn einmal herunterzudrücken, bedeutet: «Ja» oder «Okay» – es ist ein Nicken. Den Kopf zur Seite zu schieben heisst: «Nein» – es ist ein Kopfschütteln.
Lio versteht auch Sprachbefehle – allerdings nur, wenn das gewünschte Stichwort deutlich gesprochen wird. Komplexere Befehle gibt das Personal via App am Computer ein. Zum Beispiel, wenn sie eine neue Route planen müssen.
Handarbeit statt künstliche Intelligenz
Lio steckt noch in der Pilotphase. Sein Hersteller, F&P Robotics aus Zürich, entwickelt ihn konstant weiter. Dafür ist der enge Austausch mit den Heimen und Kliniken wichtig: Was funktioniert gut, wo treten unerwartete Probleme auf? Wie reagieren die Patienten, was wünscht sich das Personal?
Da die Sicherheit bei einem Pflegeassistenzroboter an oberster Stelle steht, wird alles von Hand programmiert. Generative künstliche Intelligenz kommt derzeit nicht zum Einsatz, weil das Risiko zu gross ist, dass ein Chatbot Blödsinn erzählt oder ein selbst fahrendes System einen Senior umfährt.
Intimität unerwünscht
Auch bei der Auswahl von Aufgaben für Lio geht das Entwicklerteam sorgfältig vor. Wo wird sein Einsatz gewünscht, wo nicht?
Eine Umfrage bei Senioren zeigt: Viele sind glücklich damit, wenn ihnen ein Roboter den Kaffee bringt. Sich von einem Roboter waschen zu lassen, können sich hingegen die wenigsten vorstellen.
Auch die Pflegefachkräfte werden eng einbezogen: Wo macht ein Einsatz Sinn? In Zihlschlacht schätzen sie die Botengänge zum Beispiel sehr. Eine Pflegerin erzählt: «Am Morgen sind wir mitten in der Pflege. So können wir alles in die Kiste legen und es ist versorgt.» Dass Lio Pflegeaufgaben am Patienten übernimmt, sei nicht wünschenswert, schon nur, weil ein Roboter körperliche Warnsignale eines Patienten wie einen Hautausschlag übersehen könne.
Einig sind sich Patienten und Pflegende auch, dass ein Roboter niemals den menschlichen Kontakt ersetzen dürfe. Selbst dann nicht, wenn die Technologie in Zukunft dazu in der Lage sein sollte.