Der Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini löste vor einem Jahr eine landesweite Protestwelle im Iran aus. Menschen gingen auf die Strassen, Frauen verbrannten ihre Kopftücher als Zeichen für mehr Freiheit. Sie forderten den Fall des autoritären Regimes.
Auch in der Schweiz erheben Menschen ihre Stimme und tun es auch ein Jahr danach noch – wie auch die Schweiz-Iranerin Jasmin Zareh (31) vom Verein «Free Iran Switzerland». Mit «SRF Impact» spricht sie über die Konsequenzen, die Angst um ihre Familie und über ihre Hoffnung nach Veränderung.
SRF News: Was ist Ihr Bezug zum Iran?
Jasmin Zareh: Ich bin in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Wir sind mit der Familie aber jedes Jahr in den Iran geflogen. Das letzte Mal war ich kurz vor dem Tod von Jina Mahsa Amini dort, als ich das Land mit dem Auto bereiste. Bis heute leben enge Freunde und ein Teil meiner Familie dort.
Wie hat sich das Land seit Ihrem letzten Besuch verändert?
Kaum war ich zurück in der Schweiz, brach das Chaos im Iran aus. Auch in der Diaspora spürten wir, dass sich etwas verändert. Jede Person konnte sich irgendwie mit Jina Mahsa identifizieren. Das hätte ich oder meine Schwester sein können. Ich fühlte mich extrem hilflos und ohnmächtig in der Schweiz und begann deshalb mich aktivistisch zu engagieren.
Sie sprechen nur sehr diskret über Ihre Familienangehörige im Iran. Weshalb?
Ich möchte sie so gut es geht schützen. Meine grösste Angst ist es, dass sie vom Regime verfolgt, bedroht, erpresst oder eingeschüchtert werden. Das könnte dazu führen, dass sie mit ihrem Aktivismus aufhören.
Ich muss immer im Hinterkopf haben, dass unsere Telefonate abgehört werden können.
Wie schwierig ist es, ihre Familie im Iran zu erreichen und offen zu reden?
Sehr schwierig! Es gibt mehrere Hindernisse. Da ich mein Handy registrieren lassen musste, als ich drei Monate im Land war, gehe ich davon aus, dass die Regierung mich überwachen könnte. Aus Angst frage ich von mir aus nie etwas Konkretes, aber sie erzählen mir trotzdem von sich aus, was gerade los ist. Sie haben nichts mehr zu verlieren. Zudem wurde das Internet seit letztem September massiv gedrosselt. Mittlerweile habe ich fünf verschiedene Apps, mit welchen ich versuche, sie zu erreichen. Manchmal klappt es, manchmal nicht.
Welche Konsequenzen tragen Sie durch Ihre Beteiligung an den Demos?
Wir vom Verein «Free Iran Switzerland» haben bei Demonstrationen schon mehrmals beobachtet, wie Nahaufnahmen von Demonstrierenden gemacht worden sind. Ausserdem habe ich auch schon anonyme Nachrichten auf Instagram und per SMS erhalten, welche mich wohl einschüchtern sollten. Diese lösche ich sofort. Ich traue mich aktuell nicht in den Iran, da ich befürchte, am Flughafen festgenommen zu werden.
Im Moment greift das Regime repressiver durch als seit Beginn der Demonstrationen. Lohnt es sich noch weiterzumachen? Die Menschen im Iran haben sich ja von den Strassen zurückgezogen.
Sie haben nicht aufgegeben, sie haben nur die Form ihres Protests geändert. Sie tanzen, singen und küssen sich beispielsweise in der Öffentlichkeit. Das sind alles Dinge, die verboten sind im Iran. Dieser Wandel hat in ihren Köpfen stattgefunden. Es gibt kein Zurück mehr. Solange sie so mutig sind und weiter machen, kämpfen wir hier bis zum Ende mit ihnen mit.
Das Gespräch führte Amila Redzic.