Die anhaltenden Hitzerekorde sind alarmierend. Klimaexperte Niklas Höhne fordert, den Blick auch auf das zu richten, was bereits erreicht wurde – und Hoffnung macht. Eine Seltenheit.
Wie dramatisch schätzen Sie die Lage ein?
Leider sehr dramatisch. Je mehr wir über den Klimawandel wissen, desto schwieriger wird es. Es ist bedauerlicherweise ein düsteres Szenario. Wenn wir so weitermachen wie bisher, rasen wir sehenden Auges in die Klimakatastrophe.
Es gibt Stimmen, die meinen, der Mensch könne sich an die Erwärmung anpassen. Was halten Sie davon?
Das sehe ich anders. So wie wir heute leben, können wir uns nicht dem ungebremsten Klimawandel anpassen. Schauen wir uns die Klimakatastrophen an, die bereits stattgefunden haben. Zum Beispiel die Waldbrände, die so stark sind, dass sie nicht mehr gelöscht werden können. Die Folge ist, dass ganze Landstriche unbewohnbar werden. Wenn das, was jetzt noch punktuell passiert, zur Normalität wird, dann können wir uns alle vorstellen, dass wir als Gesellschaft nicht in der Lage sein werden, uns an den Klimawandel anzupassen.
Sie haben untersucht, in welchen Bereichen sich der Klimaschutz seit dem Pariser Abkommen von 2015 verbessert hat. Wo gibt es Grund zum Optimismus?
Als Klimaschutzexperte muss man oft vor Zukunftsszenarien warnen. Uns war es wichtig, auch einmal zu zeigen, was in den letzten 10 Jahren bereits erreicht wurde. Es gibt verschiedene Punkte, die herausstechen. So etwa die Energieversorgung und die erneuerbaren Energien.
Der Ausbau von Wind- und Solarenergie hat im letzten Jahr unsere Erwartungen übertroffen und bestätigt den Trend hin zu erneuerbaren Energien.
Die erneuerbaren Energien sind so günstig geworden, dass sie alle unsere Prognosen übertroffen haben. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie hat im letzten Jahr unsere Erwartungen übertroffen und bestätigt den Trend hin zu erneuerbaren Energien. Diese Entwicklung hat in den 90er Jahren begonnen und es hat Politik und Gesellschaft einen langen Atem gekostet, um dahin zu kommen, wo wir heute sind.
Welche weiteren positiven Punkte gibt es?
Der Klimawandel ist im Mainstream angekommen und in den Medien sehr präsent. Das Bewusstsein der Menschen wächst, Parteien werben mit Klimaschutz, es gibt zivilgesellschaftliche Bewegungen, die protestieren und damit weltweit Aufmerksamkeit erregen, es gibt zivilrechtliche Klagen gegen Länder und Unternehmen. Diese Klagen gibt es schon lange, aber sie werden jetzt auch gewonnen. Das ist eine wichtige Entwicklung. Denn für Länder und Unternehmen ist es inzwischen ein Risiko, keinen Klimaschutz zu betreiben.
Nehmen Sie nicht auch Druck aus der Diskussion, wenn Sie von «Hoffnung» sprechen?
Das ist sicher ein Problem. Es gibt Leute, die meinen, wir müssen uns nicht so anstrengen, wir haben es als Menschheit bisher immer geschafft und werden es auch in Zukunft schaffen. Das ist nicht meine Botschaft, wir müssen vieles noch ganz anders machen.
Wenn wir es wirklich wollen und die tiefgreifenden Veränderungen umsetzen, können wir Ziele erreichen, die heute noch unmöglich erscheinen.
Aber es ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft nicht gelähmt fühlen, nur weil wir im Moment noch einen weiten Weg vor uns haben. Wenn wir es wirklich wollen und die tiefgreifenden Veränderungen umsetzen, können wir Ziele erreichen, die heute noch unmöglich erscheinen.
Gespräch führte David Karasek, Mitarbeit Géraldine Jäggi.