Es ist der letzte Schrei am Arbeitsplatz: lautstarkes Kündigen. Und natürlich haben es die Amerikaner erfunden, sie nennen es «loud quitting». Die umstrittene Taktik nutzen die Angestellten, um – eben lautstark – Lohnerhöhungen oder Beförderungen durchzusetzen.
Und das geht so: Die Angestellten drohen mit der Kündigung, falls ihre finanziellen Wünsche oder ihr Bestreben, in der Nahrungskette der Firma aufzusteigen, nicht berücksichtigt werden. Sie nutzen die Abgangsdrohung als taktisches Manöver. Denn wirklich ernst mit der Kündigung meinen sie es nicht.
Mit «loud quitting» versuchen die Angestellten ihre Arbeitgeber vornehmlich an den Verhandlungstisch zu zwingen, um neue Konditionen auszuhandeln.
Am längeren Hebel
Das mag zumindest in diplomatischer Hinsicht fragwürdig klingen, doch dahinter steckt Kalkül. Gerade in Zeiten, in den denen sich praktisch alle Unternehmen nach Fachkräften strecken müssen, wähnen sich die Angestellten am längeren Hebel. Und so ganz daneben liegen sie nicht.
Der Mangel an Fachkräften hat sich im letzten Jahr stark zugespitzt. Vor allem in den Bereichen Gesundheit, IT und Ingenieurswesen gestaltet sich die Rekrutierung von qualifiziertem Personal zunehmend schwierig.
Kommt hinzu: Der kräftige wirtschaftliche Aufschwung nach der Aufhebung der Corona-Massnahmen hat die Anzahl Stellenausschreibungen im Eiltempo auf neue Rekordhöhen getrieben.
Deshalb spricht man derzeit von einem Arbeitnehmermarkt. Das heisst: Es sind aktuell mehr Stellen offen als qualifiziertes Personal vorhanden. Für unglückliche Angestellte oder Stellensuchende eine formidable Ausgangslage.
Heiss diskutiert in der Community
Auf den sozialen Medien wie Tiktok oder Youtube diskutiert die Community, wie «loud quitting» am erfolgreichsten angewendet wird. Ein einheitliches Rezept dafür gibt es nicht, dafür detaillierte Anleitungen von vermeintlichen Expertinnen und Experten in Hülle und Fülle.
Begründet wurde der Trend von Angestellten der Tech-Industrie in den USA. «Loud quitting» ist die Antwort auf den Sparwahn von grossen Unternehmen wie Amazon, Facebook, Google oder Twitter. Diese drohten in den letzten Monaten, aus Spargründungen massenhaft Personal zu entlassen. Einige machten Ernst, mussten aber, wie das Beispiel Twitter zeigt, zu Kreuze kriechen. Und bettelten um die Rückkehr der Verstossenen. Denn ohne fähige Ingenieure und Programmierer läuft der Laden eben doch nicht.
Die Schattenseiten der umstrittenen Verhandlungstaktik
Doch die umstrittene Verhandlungstaktik hat auch ihre Schattenseiten: Jobvermittler und Arbeitsmarktexperten warnen davor, allzu viel Geschirr zu zerschlagen. Denn kippt die Stimmung zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin vollends, dürfte auch «loud quitting» kaum mehr helfen, die Beziehung zu kitten.
Und ist das Vertrauen dahin, dann verpufft auch die härteste Drohung. Deshalb raten Expertinnen und Experten zu einvernehmlichen Lösungen und offenen Gesprächen. Voraussetzung dafür: Verhandlungen auf Augenhöhe. Sonst dürfte es auch künftig laut werden.