Zwei Tiere hat Ronja Stöckli in diesem Jahr bereits geschossen – ein Reh und ein Hirsch. «Danach war ich jedes Mal so aufgeregt, dass ich gezittert habe», sagt die 31-Jährige, die in diesem Frühjahr ihre Jagdprüfung gemacht hat.
Noch sind Jägerinnen wie Ronja Stöckli in der Schweiz eher eine Seltenheit: Unter den rund 30'000 aktiven Jägern sind nur etwa 1000 Frauen. Doch beim Jagd-Nachwuchs sieht das anders aus: Bei den sogenannten Jungjägerinnen und -jäger ist der Anteil der Frauen dreimal so hoch. Für viele von ihnen ist das Thema Fleisch und Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor, so auch für Ronja Stöckli. «Ich esse eigentlich fast nur noch Fleisch von Tieren, die ich selbst geschossen habe. Ansonsten versuche ich vegetarisch zu leben.»
Jagen und sich sonst nur vegetarisch oder vegan ernähren – dafür gibt es mittlerweile sogar einen eigenen Begriff: Jeganismus ist ein Ausdruck, der immer häufiger auf Social-Media-Plattformen zu finden ist.
Jägerinnen und Jäger, die diesem Trend folgen, geht es vor allem darum, eine Alternative zur Massentierhaltung zu haben. «Da weiss ich ganz genau, dass das Tier nur das gefressen hat, was es gern hat. Es war nie eingesperrt oder musste auf stressvolle Tiertransporte.»
Ganz stressfrei geht es für die Wildtiere aber auch nicht zu – das sagen zumindest Tierschützer und -schützerinnen. Immer wieder wird dabei vor allem die Treibjagd kritisiert.
Wir müssen in den Bestand eingreifen und die Zahl der Wildtiere regulieren. Das geht nur mit Treibjagden.
Hier werden die Wildtiere von den sogenannten Treiberinnen und Treibern, die laut rufend durch den Wald gehen, aufgescheucht und in Richtung der Jägerinnen und Jäger getrieben. Dies würde die Tiere in Stress versetzen, so die Kritik.
Eine weitere Gefahr bei der Treibjagd: Die aufgeschreckten Tiere würden immer wieder nur angeschossen und qualvoll im Wald verenden. Dennoch ist aus Sicht der Jägerinnen und Jägern die Treibjagd notwendig. «Wir müssen in den Bestand eingreifen und die Zahl der Wildtiere regulieren. Das geht nur mit Treibjagden», so Ronja Stöckli.
Nur ein kleiner Teil aus heimischer Jagd
Dabei geht es vor allem darum, die Überpopulation gewisser Wildtiere in den Griff zu bekommen. In der Schweiz gibt es zum Beispiel über 140'000 Rehe – die fressen besonders gern junge Bäume und Knospen und schaden so dem Wald. Ein zu hoher Bestand würde auch den Wildtieren selbst schaden: Sie würden unter Hunger und Dichtestress leiden, argumentieren die Jägerinnen und Jäger.
«Der ganze Wald wird immer mehr den menschlichen Bedürfnissen angepasst. Der Lebensraum der Tiere wird kleiner und gleichzeitig nimmt der Bestand zu», so Ronja Stöckli. Tierschützer und Tierschützerinnen halten dagegen: Das Ökosystem Wald sei durchaus in der Lage, sich selbst zu regulieren.
Von den rund 4000 Tonnen Wildfleisch, die jährlich in der Schweiz auf dem Teller landen, stammt übrigens nur ein kleiner Teil aus der heimischen Jagd. Ein Grossteil wird aus Österreich, Slowenien oder Deutschland importiert. Jeganismus wird damit auch in Zukunft ein Privileg für wenige bleiben.