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Wird die psychische Gesundheit im Spitzensport unterschätzt?
Aus SRF 4 News vom 29.07.2024. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 9 Minuten 35 Sekunden.

Psyche und Sport Mentale Gesundheit im Spitzensport – da tut sich was

Tausende Athletinnen und Athleten treten bei den Olympischen Sommerspielen in Paris auf höchstem Sport-Niveau gegeneinander an und kämpfen um eine Medaille. Eine enorme Belastung: körperlich, aber auch mental.

Die mentale Gesundheit im Spitzensport ist in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Denn Profisportlerinnen und -sportler sind in ihrem Alltag einem enormen Druck ausgesetzt.

So erging es auch der ehemaligen Kunstturnerin Ariella Kaeslin. Ihr Beispiel zeigt, wie trügerisch das Scheinwerferlicht im Profisport sein kann: Demütigungen ihres Trainers, ein enormer Leistungsdruck und der Drang, möglichst dünn zu bleiben – zu diesen Erfahrungen äusserte sich die damals 24-Jährige nach ihrem Rücktritt 2011.

Blonde Frau in Polohemd hält Buch 'Ariella Kaeslin
Legende: Ariella Kaeslin mit ihrem Buch, in dem sie ihre Erfahrungen als Spitzensportlerin erzählt. (Bild vom 18. Juni 2015) Keystone/URS FLUEELER

Und damit ist sie kein Einzelfall: Auch der Turnsuperstar Simone Biles aus den USA hat bei den letzten Olympischen Spielen in Tokio aufgrund psychischer Probleme per X (ehemals Twitter) ihren plötzlichen Abgang von der olympischen Bühne verkündet. Innert weniger Minuten erhielt sie von ihren Fans als Reaktion auf diese Nachricht Hunderttausende Likes. Jetzt tritt die 27-Jährige wieder in Paris an und ihr wird eine Art Vorbildfunktion zugesprochen, indem sie auch als Medaillenfavoritin in der Öffentlichkeit über ihre mentale Gesundheit spricht.

Turnerin in schwarzem Anzug beim Stufenbarren.
Legende: Simone Biles bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Keystone/ANNA SZILAGYI

Das Bewusstsein für die Relevanz der mentalen Gesundheit im Spitzensport steigt. Für Michael Liebrenz von der Universität Bern zeichnet sich diesbezüglich ein Generationenwechsel ab. «Insbesondere in der Vergangenheit lag der Fokus vorrangig auf körperlicher Leistungsfähigkeit und den technischen Fähigkeiten.» Den Einfluss der Sportpsychologie habe man erst später erkannt.

Die psychische Belastung im Spitzensport

Laut einer aktuellen Studie liegt bei 19 Prozent der aktiven Athleten Alkoholmissbrauch vor, bis zu 34 Prozent sind demnach von einer Angststörung und Depression betroffen. Es hat sich zudem gezeigt, dass Essstörungen in bestimmten Sportarten häufiger auftreten als in der Normalbevölkerung.

Diagnose und Behandlung psychischer Probleme im Spitzensport

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Die Sportpsychiatrie befasst sich mit der Diagnose und Behandlung von psychischen Störungen, die durch den hohen Druck und die speziellen Anforderungen im Spitzensport entstehen können. In der Schweiz setzt sich beispielsweise die Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (SGSPP) damit auseinander.

Als Psychiater bei der Anlaufstelle für mentale Gesundheit von «Swiss Cycling» führt Michael Liebrenz bei Betroffenen erst eine Analyse durch, um festzustellen, ob psychische Probleme vorliegen, die behandlungspflichtig sind. Zudem soll die Analyse dazu dienen, die Herausforderungen und Belastungen der jeweiligen Athletinnen und Athleten besser zu verstehen. «Dabei spielt auch die Prävention eine wichtige Rolle, besonders in einem Umfeld, in dem junge Menschen oft hohe emotionale und physische Opfer erbringen, um Spitzenleistungen zu erzielen», sagt Liebrenz. Denn bei jungen Menschen sei die psychische Belastung schon sehr früh sehr hoch, was zu Angst- oder Zwangsstörungen führen könne.

Besonders bei grossen Ereignissen, wie beispielsweise bei der Unterzeichnung von neuen Verträgen im Profibereich oder beim Wechsel in eine Profikarriere, wenn gleichzeitig die klassische Ausbildung aufgegeben wird, steigt die psychische Belastung. «Diese Übergangsphasen markieren den Einstieg in ein System, das sehr hohe Leistungen fordert, aber nur begrenzte Sicherheit bietet, wie zum Beispiel durch kurzfristige Verträge», sagt Liebrenz.

Tennisspielerin schlägt den Ball auf dem Platz.
Legende: Die japanische Tennisspielerin Naomi Osaka hat viel Zuspruch erfahren, als sie im Juni 2021 öffentlich über ihre Ängste und Depressionen gesprochen hat. Keystone/WU HONG

Auch am Ende ihrer Karriere stehen viele Sportlerinnen und Sportler vor der Herausforderung, sich in der Welt ausserhalb des professionellen Sports zurechtzufinden.

Körper und Geist – eine untrennbare Einheit

Gerade in einer leistungsorientierten Welt sei es wichtig, zu erkennen, dass mentale Gesundheit ein Bestandteil der Gesamtleistung sei. Viele Athletinnen und Athleten suchten deshalb heutzutage aktiv nach einem Ausgleich ausserhalb des Sports, sagt Liebrenz. «Die Bedeutung der psychischen Gesundheit kann man nicht hoch genug einschätzen, besonders wenn man die traditionelle Vorstellung einer Unterscheidung von Körper und Geist aufgibt und das als eine untrennbare Einheit betrachtet.»

Psychische Faktoren wie Stressbewältigung, Konzentrationsfähigkeiten, Motivation, Angst-Management – all das spielt gemäss Liebrenz eine entscheidende Rolle bei der Leistungserbringung. Athletinnen und Athleten, die körperlich in Topform sind, können ihr volles Potenzial demnach nur durch eine entsprechende psychische Stärke ausschöpfen.

Olympische Sommerspiele 2024

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Bis zum 11. August 2024 finden in der französischen Hauptstadt Paris die Olympischen Sommerspiele statt.

SRF begleitet den weltweit grössten Sportevent täglich von früh bis spät und berichtet insgesamt rund 240 Stunden aus Paris. Hier finden Sie alle SRF-Inhalte rund um den Grossanlass Olympische Spiele 2024.

SRF 4 News, 29.7.2024, 8:30 Uhr ; 

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