Nun sagt es auch der neueste UNO-Bericht: Die Welt wird momentan nicht besser, sondern schlechter. Das ist beängstigend. Was das mit uns macht und wie wir damit umgehen können, erklärt der Sprecher von «Psychologists for Future».
SRF News: Was machen die vielen Krisen mit uns?
Felix Peter: Es hängt ganz davon ab, wie man eine Krise individuell wahrnimmt. Die Energiekrise zum Beispiel bereitet vielen Sorgen, weil sie viele Menschen auch tatsächlich bedroht. Mitunter entstehen Ängste, die auch zu körperlichen Reaktionen führen können – insbesondere, wenn mehrere Krisen gleichzeitig auftreten, wie aktuell.
Sind junge Menschen besonders betroffen?
Kinder und Jugendliche sind besonders vulnerabel. Sie sind in wichtigen Entwicklungsphasen mit vielen äusseren, aber auch inneren Erwartungen konfrontiert. Sie schauen meist weit in die Zukunft. So können Krisen deutlich mehr Angst auslösen als bei Erwachsenen.
Leider funktioniert Angst oftmals so, dass nur kurzfristige Bedrohungen eine positive Wirkung auf uns haben.
Ist Angst als Gefühl evolutionär sinnvoll?
Auf jeden Fall. Angst ist quasi unser Bedrohungsmelder. Ohne Angst würden wir uns mehr verletzen und früher sterben. Leider funktioniert Angst bei Menschen oftmals so, dass nur kurzfristige Bedrohungen eine positive Wirkung auf uns haben und uns Energie verleihen. Bei langfristigen Risiken, die keine Betroffenheit auslösen oder zu gross sind, funktioniert das nicht so gut. Dort sind wir eher in der Verdrängung.
Ist es schlecht, die scheinbar zunehmenden Krisen beiseitezuschieben?
Nein. Wir verdrängen den ganzen Tag, um mit den komplexen Anforderungen im Alltag zurechtzukommen. Ansonsten würde unser Gehirn überlasten. Bei längerfristigen Bedrohungen ist ignorieren allerdings nicht wirkungsvoll. Aber es ist nicht Aufgabe eines Einzelnen, zum Beispiel die Klimakrise zu lösen. Das sind Aufgaben, die wir als Gesellschaft lösen müssen. Leider schaffen wir es auf dieser Ebene immer wieder, Warnungen aus Wissenschaft, Politik oder Zivilgesellschaft zu verdrängen.
Gibt es immer mehr Krisen?
Es geht nicht um die Quantität, sondern darum, dass wir gerade den Übergang in ein Zeitalter erleben, in dem wir es mit komplexen und miteinander verbundenen globalen Krisen zu tun haben, die so schnell nicht mehr weggehen.
Die meisten von uns werden es nicht mehr erleben, wie wir aus dem Krisenmodus wieder herauskommen.
Ich denke, das ist das grosse Problem. Andere haben das schon als Krisen-Permanenz bezeichnet. Die meisten von uns werden es nicht mehr erleben, wie wir aus dem Krisenmodus wieder herauskommen. Die Klimakrise wird Jahrhunderte dauern. Das ist schon sehr belastend.
Was kann man effektiv gegen die Angst vor Krisen tun?
Wenn es um die eigene, individuelle Angst geht, dann ist der erste und wichtigste Ratschlag, sich eine vertraute Person zu suchen, mit der man über Sorgen sprechen kann. Das Teilen der emotionalen Wahrnehmung ist für uns Menschen extrem wichtig.
Als nächster Schritt kann man schauen, wie sich das Gefühl der Hilflosigkeit verringern lässt – was kann ich persönlich tun, um mich wirksam zu fühlen? In Bezug auf den Krieg in der Ukraine haben wir gesehen, dass Menschen dann Geflüchtete aufgenommen oder Versorgungshilfe organisiert haben. Wenn danach die Angst immer noch nicht weicht und mich im Alltag einschränkt, dann ist es tatsächlich wichtig sich professionelle Unterstützung zu suchen.
Das Gespräch führte Leonard Flach.