Streubomben und Landminen sind grausame Waffen. Bei ihrem Einsatz lässt sich schwerlich unterscheiden zwischen militärischen und zivilen Zielen. Deshalb verstösst deren Einsatz gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht.
Grossmächte machten nie mit
Seit 1997 gilt deshalb für Landminen und seit 2010 für Streubomben ein internationales Verbot. Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Handel dieser Waffentypen sind umfassend untersagt. Allerdings haben gerade die grossen Militärmächte USA, China und Russland die beiden Verbote nie unterzeichnet.
Und jetzt kündigen Polen und die drei baltischen Staaten an, sich vom Landminenverbot abzuwenden. Noch müssen die jeweiligen Parlamente zustimmen. Doch das dürfte eine Formsache sein.
Das ist nicht schön, das ist nicht angenehm, aber Russland besitzt eben solche Waffen.
«Das ist nicht schön, das ist nicht angenehm», sagt Polens Regierungschef Donald Tusk: «Aber Russland besitzt eben solche Waffen.» Deshalb benötige Polen diese Option ebenfalls.
Denn vor Russland fürchtet man sich, vor allem in Osteuropa. Der litauische Präsident Gitanas Nauseda fordert, der Bedrohung an der Ostgrenze grösste Beachtung zu schenken.
Wir müssen uns bis zu den Zähnen bewaffnen – und zwar schnell.
Drastischer drückt es in einem Fernsehinterview Litauens Verteidigungsministerin Dovile Sakaliene aus: «Wir müssen uns bis zu den Zähnen bewaffnen – und zwar schnell.» Es sei daher fahrlässig, auf ganze Waffengattungen zu verzichten.
Gleichzeitig versprechen die Länder, selbstverständlich würden sie das humanitäre Völkerrecht weiterhin respektieren. Bloss wie? Zumal in allererster Linie Zivilisten Landminen zum Opfer fallen. Noch Jahre oder Jahrzehnte nach einem Krieg töten explodierende Blindgänger vor allem spielende Kinder.
Die Kündigung des Landminenverbots könnte bald weitere Nachahmer finden. Finnland zum Beispiel erwägt diesen Schritt. Auch Litauens Abwendung vom Streubombenverbot im vorigen Jahr dürfte kein Einzelfall bleiben.
Völkerrecht unter Druck
Für die seinerzeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete internationale Kampagne gegen Landminen und Streubomben ist die aktuelle Entwicklung enttäuschend und schändlich, erklärt Vizedirektorin Kasia Derlicka-Rosenbauer: «Es ist ein Zeichen für die gegenwärtige Erosion des Völkerrechts.»
Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK reagiert nun mit grosser Besorgnis auf die jüngste Ankündigung der nordosteuropäischen Länder, wieder Landminen zu beschaffen.
Tatsächlich entsteht jetzt der Eindruck, als seien solche Abkommen, die ganze Waffengattungen weltweit verbieten und als historische Durchbrüche gelten, Schönwettervereinbarungen.
Geeignet für relativ friedliche Zeiten, aber untauglich oder zumindest von manchen nicht mehr akzeptiert angesichts der inzwischen auch in Europa wieder erhöhten Bedrohungslage.