Die russisch-türkischen Beziehungen sind in einem Wort zusammengefasst: «kompliziert». Nachdem sich beide Seiten während zwei Jahren vorgeworfen haben, ein gemeinsames Abkommen in Syrien zu verletzen, haben die Türkei und Russland nun ein neues Abkommen vereinbart. Über kurz oder lang ist auch dies zum Scheitern verurteilt, denn an der Ausgangslage hat sich nichts verändert. Russland und die Türkei vertreten in Syrien entgegengesetzte Positionen. Daran änderte auch das sechsstündige Treffen im Kreml nichts.
Die Schwäche der Türkei
Recep Tayyip Erdogan stand die Schmach ins Gesicht geschrieben, als er zu Beginn des Treffens erklärte, die Gespräche hätten eigentlich in der Türkei stattfinden müssen.
Doch die Reise des türkischen Präsidenten nach Moskau zeigt, dass Wladimir Putin weiterhin niemanden in Syrien auf Augenhöhe tolerieren will. Erdogan bleibt nach aussen nichts anderes übrig, als dies zu akzeptieren. Russlands Präsident mag ebenso wenig Interesse an einer wirklichen Konfrontation mit der Türkei in Syrien haben, doch Moskau sitzt gegenüber Ankara am längeren Hebel.
Nur scheinbarer Kompromiss
Die vereinbarten gemeinsamen Patrouillen wirken auf den ersten Blick wie ein Kompromiss und ein Versuch, das gegenseitige Misstrauen aus dem Weg zu räumen. Doch letztendlich verweisen die gemeinsamen Patrouillen die Türkei auf einen Platz neben Russland und bieten Erdogan bei Weitem nicht jene eigenständige Position im Konflikt in Syrien, die er gerne hätte.
Putin kann auf der eigenen Seite dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad die Patrouillen als Möglichkeit verkaufen, die syrische Armee damit aus der direkten Schusslinie Ankaras zu nehmen. Auf der anderen Seite dürfte es für den türkischen Präsidenten schwierig werden, seine gemeinsame Sache mit dem Kreml den Gegnern Assads schmackhaft zu machen.
Zusätzlich bedroht wird das Abkommen durch die anderen in Syrien involvierten Parteien, namentlich durch den Iran, dessen Interesse an einer tatsächlichen Einhaltung des Abkommens noch kleiner sein dürfte.
Unglaubwürdiges Bekenntnis zur Humanität
Als der russische Präsident zum Schluss seiner Rede davon sprach, dass man hoffe, mit dem Abkommen auch der wachsenden humanitären Krise in der Region um Idlib ein Ende setzen zu können, wirkte dies unglaubwürdig. Denn das Treffen zwischen Erdogan kam nicht wegen des Leidens der Zivilbevölkerung zustande, sondern weil 34 türkische Soldaten Ende Februar in Syrien ums Leben gekommen sind.
Die humanitäre Krise zeichnet sich bereits seit Jahren ab. Ginge es tatsächlich um die Zivilbevölkerung, hätten Ankara und Moskau dies längst zur Priorität erklären müssen.