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Präsident Aslan Bschania musste dem Druck der Strasse weichen
Aus Echo der Zeit vom 22.11.2024. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 26 Sekunden.

Abtrünniges Gebiet Georgiens Alles lassen die Abchasen nicht mit sich geschehen

Der Präsident musste nach Protesten gehen – weil er ein Gesetz nach dem Gusto Moskaus einführen wollte. Russen sollten die Erlaubnis erhalten, an der Schwarzmeerküste Hotels bauen zu dürfen.

Nach monatelangen Protesten ist Präsident Aslan Bschania zurückgetreten. Ein geplantes Gesetz hatte die Leute auf die Strasse getrieben. Dieses hätte neu ausländischen – vor allem russischen – Firmen erlaubt, an der Küste Hotels zu bauen.

«Die Einheimischen haben nicht das Geld, sich ein Haus am Meer zu bauen», sagt Daur Buawa. Er ist ein bekannter abchasischer Blogger, der heute in Georgien wohnt. Sie hätten kleine Unternehmen aufgebaut, um vom Tourismus zu leben. «Und jetzt haben sie Angst, dass russische Oligarchen die Küste übernehmen und sie verdrängen.»

Etwa eine Viertelmillion Einwohner

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Legende: Imago/Ilya Pitalev

Abchasien hat rund 240'000 Einwohnerinnen und Einwohner. Völkerrechtlich gehört das Gebiet zu Georgien, es ist aber von russischen Truppen besetzt und gilt gemeinhin als Marionette Moskaus. In der vergangenen Woche haben Proteste die Region am Schwarzen Meer erschüttert: Der Präsident des international nur von einer Handvoll Ländern anerkannten abchasischen Staates wurde zum Rücktritt gezwungen, die Opposition jubelt.

Auslöser der Proteste war eine Gesetzesänderung, deren Einführung Russland von der abchasischen Regierung verlangt hatte und die es Russen erlauben sollte, Hotels an der Meeresküste bauen zu dürfen. Denn Abchasien ist ein Ferienparadies: subtropische Wälder stürzen an steilen Berghängen dem Schwarzen Meer entgegen. Jedes Jahr machen weit über eine Million Russinnen und Russen im abtrünnigen Gebiet im Nordwesten Georgiens Urlaub.

Die Angst vor Verdrängung ist in Abchasien tief verwurzelt. In den 1990er-Jahren spalteten sich die Abchasen mit der Hilfe Russlands in einem blutigen Krieg von Georgien ab. Die Gräueltaten, begangen von allen Parteien, prägen Georgien und Abchasien bis heute.

Von Moskau finanziertes Gebiet

Ein grosser Teil der ethnisch georgischen Bevölkerung wurde aus Abchasien vertrieben. Trotzdem stellen ethnische Abchasinnen und Abchasen neben Georgiern, Russen und Armeniern nur etwa ein Drittel der Bewohner.

Nur Abchasen dürfen politische mitbestimmen

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Legende: Keystone

«Abchasien ist eine Ethno-Demokratie», sagt Paata Sakareischwili. Als sogenannter Versöhnungsminister Georgiens war er zuständig für den Austausch mit dem abtrünnigen Gebiet. «Nur ethnische Abchasen können im politischen Prozess mitbestimmen. Aber es gibt Machtwechsel und eine Zivilgesellschaft.» Tatsächlich schneidet Abchasien im Demokratie-Index der Nichtregierungsorganisation Freedom House viel besser ab als Russland.

Abchasien ist eine Pseudo-Republik von Moskaus Gnaden. Russische Truppen halten das Gebiet besetzt, der Kreml finanziert den Staat mit jährlichen Millionenzahlungen.

Mann steht vor Bücherregal neben Karte auf Staffelei.
Legende: Paata Sakareischwili. SRF/Calum MacKenzie

Entsprechend verlangt Russland Gehorsam: Abchasischen Regierungen sind die Hände weitgehend gebunden. «Regierung und Opposition unterscheiden sich kaum», sagt der georgische Ex-«Versöhnungsminister» Paata Sakareischwili. «Es sind zwei Strömungen derselben Elite.»

Kampf um das Geld aus dem Kreml

Was den Wettbewerb in der abchasischen Politik antreibt, ist der Kampf um die Gelder aus Moskau: «Die russischen Subventionen landen in den Taschen der Elite», sagt der Blogger Daur Buawa. «Falls die Opposition jetzt an die Macht kommt, wird sie genau dieselbe prorussische Politik machen.»

Buawa setzt sich für einen Dialog mit Georgien ein. Er sieht die Zukunft Abchasiens als Teil Georgiens, mit breiter Autonomie. Viele in seiner Heimat, so glaubt er, wollten nicht mehr von Russland abhängig sein.

«Die Proteste waren auch gegen Russland gerichtet», ist Buawa überzeugt. «Das Wichtigste ist für uns, unsere Kultur und Sprache zu bewahren. Aber unsere Verfassung, Parlamentsdebatten und Bildung sind fast nur auf Russisch.»

Mann steht auf Balkon mit Blick auf städtische Strasse und Gebäude.
Legende: Daur Buawa. SRF/Calum MacKenzie

Doch das Misstrauen gegenüber Georgien ist gross. Viele in Abchasien bevorzugen die Scheinunabhängigkeit unter Russland. Und die Elite will den Status Quo mit Moskaus Geldregen beibehalten, statt diesen mit russischen Tourismus-Oligarchen zu teilen.

Im Frühling wird neu gewählt

Die Proteste könnten Abchasiens Anführer jetzt in Moskau als Argument verwenden, sagt der ehemalige georgische Minister Paata Sakareischwili. «Sie können jetzt zu Putin gehen und sagen; ‹Das Volk will dieses Gesetz nicht. Aber wir sind nicht gegen Russland, nur gegen die Oligarchen.› Natürlich sind die Oligarchen und der Kreml ein und dasselbe. Aber Russland ist mit der Ukraine beschäftigt und könnte zumindest vorübergehend einlenken.»

Ob das gelingt, wird sich im Frühjahr zeigen, nach der vorgezogenen Präsidentenwahl in Abchasien. Der geschasste Präsident, Aslan Bschania, scheint sich jedenfalls Hoffnungen zu machen. Er stellt sich erneut zur Wahl.

Echo der Zeit, 22.11.2024, 18:00 Uhr;kobt

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