Das ist passiert: Russland verlegt einen Teil seiner Schwarzmeerflotte weg vom Hafen von Sewastopol und dem westlichen Teil der von Russland besetzten Krim. Die Schiffe sollen in weiter östlich gelegene Häfen am Schwarzen Meer gebracht werden. Zwar gibt es vom Kreml keine offizielle Begründung, aber die Vermutung liegt nahe, dass die Verschiebung mit ukrainischen Angriffen vor wenigen Wochen zusammenhängt.
Das sind die unmittelbaren Konsequenzen: Laut Calum MacKenzie, Russland-Korrespondent von SRF, hat die Flottenverlegung vor allem Auswirkungen auf die Ausfuhr von Getreide und anderen Gütern aus ukrainischen Häfen wie etwa Odessa oder am Donau-Delta. Russland hatte das internationale Getreideabkommen im Sommer aufgekündigt, mit dem die Ausfuhr dieser Güter einige Monate lang geregelt war – und drohte gleichzeitig damit, dass nun auch Frachtschiffe aus der Ukraine legitime Angriffsziele seien.
Mit der Kündigung des Getreideabkommens habe Russland aber auch seine Schiffe vermehrt zu Angriffszielen gemacht, erklärt MacKenzie. «Und der Ukraine ist es in den letzten Monaten gelungen, die russische Schwarzmeerflotte nach und nach aus dem Westen des Meeres zu verdrängen, sogar den wichtigsten russischen Marinestützpunkt Sewastopol unsicher zu machen.»
Die Auswirkungen auf den Kriegsverlauf: Die Krim bleibt eine sehr wichtige Basis und Drehscheibe für die Versorgung der russischen Truppen im Süden der Ukraine. «Wenn es der Ukraine gelingt, die Krim weiterhin erfolgreich anzugreifen und die Lage dort zu destabilisieren, könnte das den russischen Streitkräften Probleme bereiten», schätzt MacKenzie. «Aber so weit sind wir noch nicht, und die Ukraine hat derzeit auch nur eine begrenzte Anzahl der Marschflugkörper, mit der sie zuletzt Sewastopol angegriffen hat.»
Abgesehen von der zunehmenden Sicherheit für Frachtschiffe kann man noch von keiner deutlichen Wende sprechen.
Grundsätzlich kann die russische Schwarzmeerflotte aber weiterhin das tun, was sie seit Anbeginn des Krieges tut: nämlich ukrainische Städte mit Marschflugkörpern beschiessen.
Darum ist auch Georgien betroffen: Laut Berichten sollen Teile der russischen Flotte vor die Küste Georgiens verlegt werden. So soll es in der abtrünnigen Region Abchasien einen Stützpunkt der russischen Kriegsmarine geben.
Die georgische Regierung übt scharfe Kritik an den Plänen – obwohl sie sich Russland in letzter Zeit eher annähert und sich davor hütet, Russland zu brüskieren. «Denn ein solcher strategisch wichtiger russischer Stützpunkt in Abchasien würde es noch weniger wahrscheinlich machen, dass die russischen Streitkräfte das Gebiet je verlassen werden», so MacKenzie.
Absicherung für abchasische Separatisten: Für MacKenzie ist es kein Zufall, dass nun ein russischer Marinestützpunkt in Abchasien eingerichtet werden soll. Die dortigen Separatisten dürften die jüngsten Entwicklungen in Bergkarabach genau verfolgt haben. «In Abchasien wird man gesehen haben, dass Russland die Armenier fallen gelassen hat, sobald das für Russland geopolitisch zweckdienlich wurde.»
Den abchasischen Separatisten dürfte nun mehr denn je bewusst sein, dass sie von Russland nicht aus Prinzip gestützt werden, sondern weil es auf Georgien Druck ausüben will. «Wenn sich diese Situation einmal ändert, müssen sie Argumente dafür haben, dass Russland sie nicht einfach fallen lassen kann», sagt MacKenzie. Ein russischer Marinestützpunkt könnte ebendiese Argumente liefern.