Bei einem Angriff auf ein Dorf in der Region Charkiw im Osten der Ukraine seien Dutzende Menschen getötet worden, melden die ukrainischen Behörden. Es ist einer der folgenreichsten Angriffe auf ein ziviles Ziel seit Beginn des russischen Angriffskriegs. SRF-Auslandredaktor David Nauer beobachtet für SRF die Ereignisse in der Ukraine. Er erklärt, was bislang über den fatalen Angriff bekannt und wer die mögliche Urheberschaft ist.
SRF News: Was weiss man bisher über den heutigen Angriff?
David Nauer: Ukrainische Medien und auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski berichten von einem russischen Raketenangriff auf ein Café und Lebensmittelgeschäft in dem kleinen Dorf Hroza in der Ostukraine. Dabei seien rund 50 Zivilisten getötet worden. Auf Fotos, die in sozialen Medien kursieren, sieht man ein zerstörtes Gebäude und zahlreiche – also wirklich viele – Leichen, die auf einer Wiese liegen.
Offenbar – so heisst es zumindest in ukrainischen Medien – hat sich in dem Café eine Trauergemeinde versammelt, um einem verstorbenen Dorfbewohner zu gedenken. Dabei sei es dann zu diesem fatalen Angriff gekommen.
Russland beschiesst systematisch zivile Ziele in der Ukraine, darunter Hotels, Spitäler oder eben auch Restaurants. Von dem her passt dieser Angriff zur russischen Kriegstaktik.
Erst vor Kurzem gab es Meldungen über einen russischen Raketenangriff auf eine ukrainische Kleinstadt mit 15 Toten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es möglicherweise eine fehlgeleitete ukrainische Rakete war. Sind auch in diesem Fall Zweifel an der ukrainischen Lesart angebracht?
Wir können auch in diesem Fall nicht überprüfen, was für eine Rakete von wo genau auf dieses Café abgefeuert wurde. Zumindest im Moment haben wir dazu keine verlässlichen Informationen. Es ist also theoretisch möglich, dass es sich um eine fehlgeleitete ukrainische Rakete gehandelt hat. Für wahrscheinlich halte ich das allerdings nicht. Russland beschiesst systematisch zivile Ziele in der Ukraine, darunter Hotels, Spitäler oder eben auch Restaurants und Cafés. Von dem her passt dieser Angriff zur russischen Kriegstaktik.
Dieser Angriff verbreitet sicherlich auch Angst und Schrecken in der Ukraine.
Was macht dieses Dorf in der Nähe von Charkiw als militärisches Ziel überhaupt interessant?
Das ist aus der Ferne schwer zu sagen. Natürlich ist es denkbar, dass in irgendeinem Haus in dem Dorf ukrainische Militärs untergebracht waren oder sind. Bis zur Front sind es von dort ungefähr 35 Kilometer. Grosse militärische Anlagen sind allerdings auf Satellitenbildern des Dorfes nicht zu erkennen. Und allem Anschein nach hat die Rakete ja ein ziviles Ziel getroffen – und die Russen greifen immer wieder zivile Ziele in der Ukraine an.
Die Ukrainer sprechen dabei von einer russischen Terrorstrategie mit dem Ziel, den Menschen in der Ukraine das Leben so schwer wie möglich zu machen. Dieser Angriff verbreitet sicherlich auch Angst und Schrecken in der Ukraine. Die Botschaft ist eindeutig: Man ist nirgends sicher im Land.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.