Russlands Überfall auf die Ukraine hat Zehntausende von Menschenleben gefordert, Städte und Infrastruktur verwüstet. Dass es den ukrainischen Streitkräften gelungen ist, ihr Land zu verteidigen, verdanken sie auch der Unterstützung durch eine breite Staatenallianz. Allein aus den USA kamen Waffen, Munition und weitere Militärhilfe im Wert von mehr als 40 Milliarden Dollar.
Doch nach eineinhalb Jahren Krieg droht die Pro-Ukraine-Allianz, bestehend vor allem aus Nato-Staaten, auseinanderzubrechen. Die Unterstützung droht zu schwinden.
Ukraine-Skepsis wächst
Nachdem ein Streit über Getreide zwischen Polen und der Ukraine ausgeartet war, drohte der polnische Regierungschef mit dem Ende der Waffenlieferungen. In der Slowakei gewann am Wochenende eine Partei die Wahlen, deren Chef weitere Hilfe an die Ukraine ablehnt.
Und in den USA konnte ein Regierungsstillstand nur mit einem Übergangshaushalt ohne zusätzliche Ukraine-Gelder abgewendet werden. Vorerst werden also nur noch die Gelder ausbezahlt, die bereits beschlossen wurden. Wie es danach weitergeht, ist ungewiss.
Überhaupt drohen die USA als Partner unzuverlässiger zu werden. Politikerinnen und Politikern vom rechten Rand der Republikanischen Partei brachten am Dienstag den Vorsitzenden der grossen Parlamentskammer, ihren Parteikollegen Kevin McCarthy, zu Fall.
Bereits McCarthy hatte sich kritisch zur Ukraine geäussert. Es sei unklar, was sie mit all den Hilfen erreichen wolle: «Wie sieht der Plan für einen Sieg aus?» Die Partei-Hardliner gehen noch weiter und fordern den Stopp sämtlicher Militärhilfen.
Die Lage für die Ukraine und für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski wird also zunehemend ungemütlicher. Welche Szenarien könnte die abnehmende Unterstützung zur Folge haben?
Szenario eins: Die Ukraine fällt
Ohne amerikanische Hilfe bricht der Kern der westlichen Unterstützung weg. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis russische Panzer die ukrainische Hauptstadt Kiew einnehmen und ein prorussischer Marionetten-Präsident an die Stelle von Selenski tritt.
Die Folge: Der Ruf der USA ist ruiniert; in Ländern wie Japan, Südkorea oder Taiwan verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit als Schutzmacht gegen China. Ein eher unwahrscheinliches Szenario.
Szenario zwei: Die Ukraine schrumpft
Wahrscheinlicher ist dieses Szenario: Im Westen wächst die Ukraine-Skepsis weiter und damit der Druck auf Selenski, mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin eine Einigung zu erzielen. Die Ukraine überlässt ihm die Krim-Halbinsel und das Donbass-Becken. Dazu passt das Versprechen des amerikanischen Ex- und Vielleicht-bald-wieder-Präsidenten Donald Trump, wonach er «innerhalb von 24 Stunden» mit Selenski und Putin Frieden schliessen würde.
Die Einigung führt allerdings zum Sturz Selenskis. Denn die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer lehnen Zugeständnisse ab, sie trauen dem Frieden mit Putin nicht. Dieser, so glauben sie, werde sich bei Gelegenheit weitere Gebiete einverleiben.
Szenario drei: Russisch-ukrainischer Patt
Am wahrscheinlichsten erscheint ein drittes Szenario: Die Ukraine kämpft weiter. Die westliche Unterstützung nimmt ab, verschwindet aber nicht. Der Krieg zieht sich hin, mit wenig Bewegung an der Front, weniger Opfern als heute – aber über Jahre ohne Waffenstillstand oder gar Friedensvertrag.
Statt des «Plans für einen Sieg» gäbe es ein Patt: Die Ukraine bleibt als eigenständiger Staat bestehen, der Atommacht Russland die Schmach einer Niederlage erspart – und damit, so zumindest die Hoffnung im Westen, wird die Gefahr eines Atomkriegs gebannt.