Russen kämpfen gegen Russen – und das auf russischem Territorium: Seit Montag sorgen militärische Auseinandersetzungen im westrussischen Belgorod für Schlagzeilen. Zu dem Angriff bekannten sich zwei aus russischen Staatsbürgern bestehende Freiwilligenkorps, die im Krieg in der Ukraine auf der Seite Kiews kämpfen.
Die Regierung in Kiew dementiert eine Beteiligung an der Aktion. Die Ukraine beobachte das Geschehen interessiert, sei aber nicht direkt involviert. «Wie bekannt ist, werden Panzer in jedem russischen Waffengeschäft verkauft», schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, auf Twitter.
David Nauer ist soeben aus der Ukraine zurückkehrt. Der Auslandredaktor von SRF erkennt in Podoljaks Worten einen Seitenhieb Richtung Moskau. «Mit seiner Aussage ironisiert er die grünen Männchen, die 2014 ohne Hoheitszeichen auf der Krim auftauchten.» So scherzte Kremlchef Wladimir Putin damals, dass solche Uniformen in jedem Geschäft gekauft werden könnten.
Gleichzeitig bestätigte der ukrainische Militärgeheimdienst, dass die aus russischen Staatsbürgern bestehenden Einheiten «eine Operation zur Befreiung des Gebiets Belgorod vom Putin-Regime begonnen haben.» Für Nauer folgt es einer gewissen Logik, dass die Ukraine offiziell bestreitet, an der Aktion beteiligt gewesen zu sein. «Auch, weil Angriffe auf russisches Territorium für den Westen eine rote Linie sind.»
Die «Uneindeutigkeit der Kommunikation» vonseiten der Ukraine habe aber System. Nauer zieht eine bemerkenswerte Parallele: Ein Stück weit kopiere Kiew hier nämlich Drehbuch des Kremls von 2014.
Aus meiner Sicht handelt es sich um eine Spezialoperation, in der der ukrainische Geheimdienst diese russische Guerilla für seine Zwecke nutzt.
Damals stellte Russland die beginnenden Kämpfe im Donbass als Aufstand von Freiheitskämpfern gegen ein unterdrückerisches Regime in Kiew dar. Vorwürfe, die Separatisten militärisch zu unterstützen, wies Moskau von sich. Nun sind es russische «Freiheitskämpfer», die auf russischem Territorium agieren – und Kiew stellt eine direkte Beteiligung an der Aktion ebenfalls in Abrede.
Für Nauer ist aber kaum denkbar, dass die russischen Einheiten ohne Einverständnis der ukrainischen Armee und des Geheimdiensts eine solche Operation durchführen. «Aus meiner Sicht handelt es sich um eine Spezialoperation, in der der ukrainische Geheimdienst diese russische Guerilla für seine Zwecke nutzt.»
An der Aktion sind laut dem ukrainischen Militärgeheimdienst das «Russische Freiwilligenkorps» und die Legion «Freiheit Russlands» beteiligt:
Denis Trubetskoy ist freier Journalist in Kiew und hat zu russischen Kämpfern auf Seite der Ukraine recherchiert. Teilweise handle es sich dabei um russische Staatsbürger, die schon seit 2014 und dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine auf Seiten der Ukraine kämpften.
«Die Legion ‹Freiheit Russlands› ist ein Projekt des ehemaligen Duma-Abgeordneten Ilja Ponomarjow, der seit 2019 in der Ukraine lebt.» Beweise dafür, dass sie jemals an der Front gekämpft hat, gibt es laut Trubetskoy bislang nicht.
Das «Russische Freiwilligenkorps» habe dagegen nachweislich an militärischen Aktionen teilgenommen. «Die Gruppierung hat einen rechtsradikalen Hintergrund», so der freie Journalist. «Sie rekrutiert sich grösstenteils aus russischen Fussball-Ultras, die sich entschlossen haben, auf der Seite der Ukraine zu kämpfen.» Der Gruppierung sollen einige Hundert Kämpfer angehören.