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Angriff auf russischem Boden: «Schwer zu glauben, dass Kiew nichts damit zu tun hatte»
Aus SRF 4 News aktuell vom 23.05.2023. Bild: Strassenszene in Belgorod, Mai 2023.
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Angriff auf Belgorod Russen kämpfen gegen Russen – das sind die Hintergründe

Kiew bestreitet eine direkte Beteiligung an der Aktion im russischen Belgorod – und sendet zweideutige Botschaften.

Russen kämpfen gegen Russen – und das auf russischem Territorium: Seit Montag sorgen militärische Auseinandersetzungen im westrussischen Belgorod für Schlagzeilen. Zu dem Angriff bekannten sich zwei aus russischen Staatsbürgern bestehende Freiwilligenkorps, die im Krieg in der Ukraine auf der Seite Kiews kämpfen.

Die Regierung in Kiew dementiert eine Beteiligung an der Aktion. Die Ukraine beobachte das Geschehen interessiert, sei aber nicht direkt involviert. «Wie bekannt ist, werden Panzer in jedem russischen Waffengeschäft verkauft», schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, auf Twitter.

David Nauer ist soeben aus der Ukraine zurückkehrt. Der Auslandredaktor von SRF erkennt in Podoljaks Worten einen Seitenhieb Richtung Moskau. «Mit seiner Aussage ironisiert er die grünen Männchen, die 2014 ohne Hoheitszeichen auf der Krim auftauchten.» So scherzte Kremlchef Wladimir Putin damals, dass solche Uniformen in jedem Geschäft gekauft werden könnten.

Männer in Uniformen ohne Abzeichen schirmen ukrainischen Stützpunkt auf der Krim ab, März 2014
Legende: Auf die militärische Besetzung folgte am 16. März 2014 ein manipuliertes Referendum, mit dem sich Russland die Krim einverleibte. Bild: Soldaten ohne Abzeichen umstellen eine ukrainische Militärbasis auf der Krim, März 2014. Keystone/AP/Darko Vojinovic

Gleichzeitig bestätigte der ukrainische Militärgeheimdienst, dass die aus russischen Staatsbürgern bestehenden Einheiten «eine Operation zur Befreiung des Gebiets Belgorod vom Putin-Regime begonnen haben.» Für Nauer folgt es einer gewissen Logik, dass die Ukraine offiziell bestreitet, an der Aktion beteiligt gewesen zu sein. «Auch, weil Angriffe auf russisches Territorium für den Westen eine rote Linie sind.»

Kreml: Belgorod-Eindringlinge zurückgedrängt

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Das russische Verteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben die angreifenden Truppen im Gebiet Belgorod nahe der ukrainischen Grenze «blockiert und zerschlagen». Mehr als 70 Angreifer seien getötet worden. Die Darstellung konnte unabhängig nicht überprüft werden. Kurz zuvor hatte das russische Präsidialamt noch erklärt, es sehe weiter Aktivitäten «ukrainischer Extremisten» in Belgorod.

Am Montag waren Kämpfe im Landkreis Graiworon an der Grenze zur Ukraine ausgebrochen. Laut Gladkow war ein «Spionage- und Sabotagetrupp» in das Gebiet eingedrungen. Die Freiwilligenkorps aufseiten der Ukraine erklärten, Ziel der Aktion sei es, eine demilitarisierte Zone entlang der Grenze zu schaffen, um den ständigen Beschuss ukrainischen Territoriums zu verhindern. (sda)

Die «Uneindeutigkeit der Kommunikation» vonseiten der Ukraine habe aber System. Nauer zieht eine bemerkenswerte Parallele: Ein Stück weit kopiere Kiew hier nämlich Drehbuch des Kremls von 2014.

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine Spezialoperation, in der der ukrainische Geheimdienst diese russische Guerilla für seine Zwecke nutzt.
Autor: David Nauer Auslandredaktor von SRF

Damals stellte Russland die beginnenden Kämpfe im Donbass als Aufstand von Freiheitskämpfern gegen ein unterdrückerisches Regime in Kiew dar. Vorwürfe, die Separatisten militärisch zu unterstützen, wies Moskau von sich. Nun sind es russische «Freiheitskämpfer», die auf russischem Territorium agieren – und Kiew stellt eine direkte Beteiligung an der Aktion ebenfalls in Abrede.

Für Nauer ist aber kaum denkbar, dass die russischen Einheiten ohne Einverständnis der ukrainischen Armee und des Geheimdiensts eine solche Operation durchführen. «Aus meiner Sicht handelt es sich um eine Spezialoperation, in der der ukrainische Geheimdienst diese russische Guerilla für seine Zwecke nutzt.»

Ukrainischer Soldat bei Bachmut (2.Mai)
Legende: Vor seiner angekündigten Gegenoffensive könne Kiew mit solchen Aktionen für Unruhe und Verunsicherung auf russischer Seite sorgen, schätzt Nauer. Zudem zwinge sie Russland dazu, seine Einheiten über ein grösseres Gebiet zu verteilen und die Grenzregion zur Ukraine besser abzusichern. Keystone (Symbolbild)/AP/Libkos

An der Aktion sind laut dem ukrainischen Militärgeheimdienst das «Russische Freiwilligenkorps» und die Legion «Freiheit Russlands» beteiligt:

Denis Trubetskoy ist freier Journalist in Kiew und hat zu russischen Kämpfern auf Seite der Ukraine recherchiert. Teilweise handle es sich dabei um russische Staatsbürger, die schon seit 2014 und dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine auf Seiten der Ukraine kämpften.

«Die Legion ‹Freiheit Russlands› ist ein Projekt des ehemaligen Duma-Abgeordneten Ilja Ponomarjow, der seit 2019 in der Ukraine lebt.» Beweise dafür, dass sie jemals an der Front gekämpft hat, gibt es laut Trubetskoy bislang nicht.

Ilya Ponomaryov in einer Archivaufnahme von 2012.
Legende: 2014 stimmte Ponomarjow im russischen Parlament als Einziger gegen die Annexion der Krim. Schon 2012 führte er Strassenproteste gegen Putins Wiederwahl an. Heute lebt er im Exil in Kiew. Keystone/AP/Misha Japaridza (Archivaufnahme von 2012)

Das «Russische Freiwilligenkorps» habe dagegen nachweislich an militärischen Aktionen teilgenommen. «Die Gruppierung hat einen rechtsradikalen Hintergrund», so der freie Journalist. «Sie rekrutiert sich grösstenteils aus russischen Fussball-Ultras, die sich entschlossen haben, auf der Seite der Ukraine zu kämpfen.» Der Gruppierung sollen einige Hundert Kämpfer angehören.

SRF 4 News, 23.05.2023, 6:20 Uhr

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