Beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine werden offenbar immer wieder auch gezielt Kulturgüter zerstört. Vor Wochen traf es ein kleines Museum nahe Kiew mit Werken der im ganzen Land verehrten Volksmalerin Maria Prymatschenko. Einige Bilder konnten vor dem Feuer gerettet werden. Der Schutz der vielen Sammlungen und Kulturstätten sei eine schwer lösbare Riesenaufgabe, sagt die ukrainische Archäologin Marta Andriiovych an der Universität Bern.
SRF News: Wie gross ist Ihre Sorge um die ukrainischen Kulturgüter
Marta Andriiovych: Ich bin sehr besorgt um unser kulturelles Erbe. Einerseits geht es um die Sammlungen der Museen in den bereits von der russischen Armee besetzten Gebieten. Anderseits sind da die architektonischen Stätten. Die Urkaine birgt reiche Kulturschätze aus dem 19. Jahrhundert, die jetzt durch Bomben in Gefahr sind. Das gilt auch für Gebiete, wo noch keine Grabungen angefangen haben. Wir könnten sehr viele Informationen verlieren.
Was ist über das Ausmass bereits verlorengegangener Kulturstätten bekannt?
Das ist schwer abschätzbar. Ich weiss von Kollegen, die jetzt im Krieg kämpfen, dass sie zu retten versuchen, was ihnen in die Finger gerät. Im Moment liegt alles bei den Mitarbeitenden der Museen und den Museumsleitungen. Wie viel sie schützen, verstecken oder evakuieren können, hängt von ihrem Fachwissen und ihrer Risikobereitschaft ab. Sie sind verantwortlich, wenn den Kunst- und Kulturgütern etwas zustösst. Transporte mit entsprechenden Papieren und Sicherheitsvorkehrungen sind wegen des geltenden Kriegsrechts kaum mehr möglich.
Wie gross ist das Risiko, dass in Sicherheit gebrachte Güter später nicht mehr auffindbar sind?
Das ist ein grosses Problem. Es ist kaum absehbar, was passieren wird. Vielleicht werden in der Ukraine ganze Sammlungen verschwinden. Aber für gewisse Museen ist das Transportrisiko vermutlich ähnlich hoch, wie wenn die Sammlung vor Ort bleibt.
Der Präsident des deutschen Kunsthistoriker-Verbandes appellierte ans Ausland, ukrainisches Kulturgut zu schützen. Was kann getan werden?
Viele Museen haben riesige Sammlungen. Es gibt nicht genug Packmaterial, in der Ukraine mangelt es an allem. Nötig wären deshalb gutes Packmaterial, Fahrzeuge und Treibstoff, um diese Evakuierungen gut durchführen zu können.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.