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Angriffe in Belgorod und Kursk Das sind die Russen, die gegen Putin in den Krieg ziehen

Russen kämpfen gegen Russen – und das auf russischem Boden: Das sind die Hintergründe der Gefechte an der Grenze zur Ukraine.

Wir kommen nicht, um zu töten, zu zerstören oder zu bestrafen. Wir sind hier, um euch von der Armut und der Angst zu befreien, der Diktatur und der terroristischen Organisation, die die Macht an sich gerissen hat.

Mit reichlich Heldenpathos inszeniert sich ein Mann auf dem Messenger Telegram. Er nennt sich «Cäsar», trägt Kampfmontur und ist der Sprecher der «Legion Freiheit Russlands» – die sich gegen das Regime in Moskau stellt. Bei Worten bleibt es nicht: In den letzten 24 Stunden gab es Meldungen über Aktionen von paramilitärischen Organisationen auf russischem Staatsgebiet. Russische Militärblogger berichten von Kämpfen in der Region Belgorod und im Nachbargebiet Kursk.

Was genau passiert ist, ist unklar. Die Beteiligten selbst bleiben vage, sprechen von Gefechten und einem Einsatz für «Freiheit und Gerechtigkeit». Russland wiederum bestätigt militärische Auseinandersetzungen auf dem eigenen Territorium. Es stellt die Sachlage aber anders dar: Ukrainische Soldaten hätten versucht, nach Belgorod einzudringen.

Die Aufnahme des russischen Verteidigungsministerium sollen einen der zerstörten Panzer zeigen.
Legende: Der Angriff sei abgewehrt und «bis zu 195 Soldaten» seien getötet worden, hiess es aus Moskau. Auch fünf Panzer und vier gepanzerte Fahrzeuge seien angeblich zerstört worden. Die Aufnahme des russischen Verteidigungsministeriums soll einen der zerstörten Panzer in der Region Belgorod zeigen. Reuters/Russisches Verteidungsministerium

Doch wer sind die russischen Kämpfer, die die «terroristische Organisation» in Moskau stürzen wollen? «Generell sind es Russen, die der Ansicht sind, dass sich das Putin-Regime nur mit Waffengewalt bekämpfen lässt», sagt Judith Huber, Ukraine-Korrespondentin von SRF.

Angehöriger der Milizen kündigt auf Telegram Angriffe an
Legende: Das Ziel der Anti-Putin-Milizen: «Sie wollen ein neues, anderes Russland errichten und andere Russen motivieren, sich ihnen anzuschliessen», sagt Huber. Dabei richten sie auch eine Botschaft an die Opposition, die entweder im Exil lebt oder in Haft sitzt: Mit friedlichen Mitteln lässt sich Putin nicht stürzen. Telegram

Einige von ihnen seien schon länger in der Ukraine, weil sie nicht mehr in Putins Russland leben wollten oder könnten. Andere befänden sich erst seit Kriegsbeginn dort oder seien aus dem Exil in die Ukraine gekommen. «Es gibt darunter Nationalisten vom rechten Rand, aber auch linke Anarchisten», berichtet Huber. Dazu kämen eigentlich unpolitische Russen, die erst durch den Krieg radikalisiert wurden.

Wandel nur durch Waffengewalt

Guerilleros, die sich einem autokratischen Regime entgegenstellen und die angegriffene Ukraine unterstützen: Das klingt nach Kampf «Gut gegen Böse». Doch Huber relativiert: Zwar gebe es unter den Freischärlern durchaus Leute mit solch hehren Motiven. Unter den Kämpfern und Politikern, die sie unterstützen, seien aber auch zweifelhafte Figuren.

Widerstand gegen Putin – auch von ganz rechts

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Bereits vergangenen Sommer hatten die «Legion Freiheit Russlands» und das «Russische Freiwilligenkorps» für Aufsehen gesorgt, als sie – ebenfalls von der Ukraine aus – teils kilometerweit in russisches Staatsgebiet vorrückten und sich Kämpfe mit der russischen Armee lieferten. «Das ‹Russische Freiwilligenkorps› hat einen rechtsradikalen Hintergrund», erklärte der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy damals gegenüber SRF News. «Es rekrutiert sich grösstenteils aus russischen Fussball-Ultras, die sich entschlossen haben, auf der Seite der Ukraine zu kämpfen.» 

Den Zeitpunkt, ihren Kampf nach Russland zu tragen, haben die Partisanen offenbar bewusst gewählt. Denn an diesem Wochenende lässt sich Kreml-Chef Putin für weitere sechs Jahre als Präsident bestätigen. «Wählen» gehen die Freischärler aber nicht mit Stimmzetteln – sondern mit ihren Waffen. Und sie rufen die Russinnen und Russen dazu auf, den Wahlurnen fernzubleiben.

In vielerlei Hinsicht ist es eine grosse PR-Aktion, die die Leute aufrütteln und Aufmerksamkeit erregen soll.
Autor: Judith Huber Ukraine-Korrespondentin von SRF

Der Zeitpunkt für die Attacken sei durchaus geschickt gewählt, schätzt Huber: «Es geht darum, den Ablauf dieser Wahlinszenierung zu stören und den Menschen in Russland zu zeigen, dass der Krieg in der Ukraine auch sie betrifft – und Putin sie nicht schützen kann.»

Abseits von psychologischen verfolgen die Kämpfer aber auch konkrete militärische Ziele. Die Angriffe sollen zeigen, wie verletzlich die russische Grenze ist – und sie binden russische Truppen, die eigentlich in der Ukraine gebraucht werden. «In vielerlei Hinsicht ist es aber eine grosse PR-Aktion, die die Leute aufrütteln und Aufmerksamkeit erregen soll», sagt Huber.

Auch die Ukraine attackiert Ziele in Russland

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Die Attacken auf russischem Boden sind auch Werbung in eigener Sache für die Anti-Putin-Milizen – und damit ein Rekrutierungswerkzeug. Gleichzeitig seien die Angriffe wohl auch mit dem ukrainischen Militär koordiniert, schätzt SRF-Korrespondentin Judith Huber.

In diesen Tagen nämlich greift auch die Ukraine russisches Territorium an – so etwa mit systematischen Attacken auf Ölraffinieren bis weit ins Landesinnere. Russlands Kriegsmaschinerie hängt an Einnahmen aus Öl und Gas. Deshalb versucht die Ukraine, die russische Energiebranche zu treffen. Und das offenbar mit Erfolg: Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg wurden inzwischen 12 Prozent der Produktionskapazität der russischen Ölraffinerien lahmgelegt.

Die Angriffe auf eigenem Territorium sind eine Blamage für den Kreml. Den Effekt der Aktionen sollte man aber auch nicht überschätzen, schliesst Huber: «Viele Russinnen und Russen, die gegen Putin sind oder im Exil leben, wollen nicht kämpfen oder gar einen Bürgerkrieg in Russland.» Andere wiederum würden den mitunter zweifelhaften Figuren in den Reihen der Kämpfer nicht vertrauen – ebenso wenig wie den oppositionellen Kräften, die hinter ihnen stehen.

Krieg in der Ukraine

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SRF 4 News, 14.03.2024, 17 Uhr ; 

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