Donald Trump muss heute in Miami vor Gericht erscheinen, um in der Affäre um geheime Regierungsdokumente auszusagen. Dass gegen einen früheren US-Präsidenten auf Bundesebene Anklage erhoben wird, ist noch nie vorgekommen. USA-Korrespondent Pascal Weber erläutert die wichtigsten Aspekte der Anklage – die Trump im für ihn schlimmsten Fall ins Gefängnis bringen könnte.
Weswegen wird Trump angeklagt?
Im vorliegenden Fall wirft der Sonderermittler des Justizdepartements, Jack Smith, Donald Trump vor, nach dessen Abwahl als «geheim» markierte Unterlagen widerrechtlich in seinem Besitz behalten, sie in mindestens zwei Fällen unberechtigten Drittpersonen gezeigt und den Besitz dieser Dokumente aktiv vor den Behörden zu verschleiern versucht zu haben. Trump soll gegen das Anti-Spionage-Gesetz verstossen, Falschaussagen getätigt sowie eine Verschwörung zur Behinderung der Justiz angeführt haben.
In welchen anderen Fällen drohen Trump Anklagen?
Trump sieht sich einer Reihe von weiteren möglichen Anklagen gegenüber. Sonderermittler Smith untersucht auch Trumps Rolle bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021. Ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses hatte dem Justizministerium vergangenen Dezember empfohlen, ein Strafverfahren unter anderem wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einem Aufstand einzuleiten.
Im US-Bundesstaat Georgia leitete die Justiz nach der Präsidentschaftswahl 2020 Ermittlungen zu Versuchen von Trump und seinen Verbündeten ein, den Ausgang der Wahl zu sistieren. Trump hatte den zuständigen republikanischen Wahlverantwortlichen von Georgia, Brad Raffensberger, in einem berühmt gewordenen Telefonat aufgefordert, die für den Wahlsieg benötigten Wählerstimmen «zu finden». Das Verfahren ist in der entscheidenden Phase, eine Anklageerhebung könnte bald erfolgen.
In New York muss sich Trump in einem Zivilprozess gegen den Vorwurf wehren, über Jahre hinweg den Fiskus, Banken und Versicherungen mit falschen Wertangaben zu seinen Immobilien getäuscht zu haben, um sich Vorteile zu verschaffen. Der Prozess soll Anfang Oktober 2023 beginnen.
Welche Auswirkungen hat das auf die Präsidentschaftswahlen 2024?
Trump kann weiterhin kandidieren und auch gewählt werden, auch wenn ein Strafprozess während der Wahlen noch läuft. Auch wenn Trump bis zu den Wahlen rechtskräftig verurteilt sein sollte, könnte er zum Präsidenten gewählt werden. Trump versucht, aus den Verfahren politisches Kapital zu schlagen, indem er die Prozesse eine politisch motivierte «Hexenjagd» nennt, die einzig dem Ziel diene, ihm die Wiederwahl zu verwehren.
Bei seinen Anhängern verfängt diese Strategie. Auch innerhalb des republikanischen Establishments ist die Auffassung eines politisch motivierten Kesseltreibens verbreitet. Die Prozesse sichern Trump grösste Aufmerksamkeit. Gleichzeitig wird er aber in entscheidenden Phasen des Wahlkampfes abgelenkt, wenn nicht teilweise gar verhindert sein.
Bis wann ist mit einem Verfahren zu rechnen?
Ein Strafverfahren vorzubereiten, benötigt Zeit. In der Regel vergeht zwischen Anklageerhebung und Prozessbeginn etwa ein Jahr. Der Beginn des Prozesses im Fall «Stormy Daniels» ist auf den 25. März 2024 angesetzt. Das bedeutet, dass ein möglicher Prozess im Fall der Geheimdokumente von Mar-A-Lago kaum vor Frühsommer 2024 beginnen dürfte, es sei denn, der Angeklagte beharrt auf einem schnellen Prozessbeginn. Aber Trump ist bekannt dafür, Prozessbeginne durch juristische Winkelzüge hinauszuzögern.