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Präsident Erdogan setzt auf Atomstrom
Aus Echo der Zeit vom 14.03.2021. Bild: Keystone
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Anstehendes Jubiläum Türkei: Präsident Erdogan setzt auf Atomstrom

Im Jahr 2023 wird die moderne Türkei 100 Jahre alt. Präsident Erdogans ganzes Streben ist auf dieses Stichdatum ausgerichtet. Dann will er bei den Wahlen ein weiteres Mal Präsident werden, gleichzeitig soll sein Land ins Nuklearzeitalter eintreten.

Pünktlich zum Jubiläumsjahr 2023 soll das erste von drei geplanten Atomkraftwerken ans Netz gehen, auf halbem Weg zwischen den Städten Antalya und Mersin an der türkischen Südküste wächst es aus dem Boden. Zehn Prozent des türkischen Strombedarfs sollen mit Atomkraft aus Akkuyu gedeckt werden, bei null Prozent Ausstoss von Treibhausgasen. Die Kernenergie sei ausgesprochen umweltfreundlich, schwärmt der Präsident.

Der Meiler wird vollständig finanziert von Russland, das auch die ganze nukleare Technologie liefert. Doch ist sie auch verlässlich?

Atomkraftwerk entspricht aktuellem Stand der Technologie

«Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit», sagt Sinan Ülgen, der Direktor des Istanbuler Strategiezentrums Edam, «aber auch Russland baut längst keine Meiler mehr wie den Katastrophenreaktor von Tschernobyl.» Das Atomkraftwerk von Akkuyu entspreche dem aktuellen Stand der Technologie.

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die vor Erdbebenrisiken oder gar terroristischen Anschlägen warnen.

Das sei nicht von der Hand zu weisen, sagt Sinan Ülgen. Er glaubt aber, dass beim Bau die nötigen Vorkehrungen getroffen werden, um die Gefahren möglichst zu minimieren – gegen einen entsprechenden Aufpreis.

Grosse Fragezeichen beim Projekt

Reaktorsicherheit sei aber nicht nur eine Frage der Technologie, sondern auch eine Frage der Organisation, mahnt Ülgen. Die Kontrolle von Atomanlagen ist am besten gewährleistet, wenn sie in den Händen einer kompetenten Aufsichtsbehörde liegt, die sowohl unabhängig von den Regierungsentscheiden als auch vom Betreiber ist.

In Erdogans Türkei mit dem Präsidialsystem aber laufen einerseits sämtliche Fäden im Regierungspalast zusammen. Der Betreiber andererseits ist ein russischer Staatsbetrieb, der das ganze Fachwissen mitbringt und beaufsichtigt sich so wohl selbst. Hier sieht Ülgen die grössten Fragezeichen bei dem Projekt.

Türkei noch mehr von Russland abhängig

Auffällig ist, dass Russland überhaupt zum Zug kam. Bekräftigt sich darin, dass Erdogan die Türkei strategisch stärker nach Osten positionieren will?

Ja und Nein, sagt der Strategieexperte. Dass Russland den Zuschlag erhielt, liege vor allem daran, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur Russland bereit war, eine solche Investition voll zu übernehmen. Im Ergebnis aber macht sich die Türkei noch abhängiger von Russland, das schon jetzt ein Hauptlieferant fürs Gas ist.

Wohl deshalb war es Erdogan ein Anliegen, an der virtuellen Medienkonferenz mit Putin nicht nur die Fortschritte beim Bau des Atomkraftwerks zu loben, sondern auch darauf hinzuweisen, dass die Türkei daran sei, grosse eigene Gasvorkommen im Schwarzen Meer zu erschliessen, um unabhängiger zu werden.

Wie weit gehen die türkischen Nuklearambitionen?

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Zum einen sind da die guten Militärbeziehungen der Türkei zur Atommacht Pakistan. Beobachtende weisen auch auf ein neues Abkommen mit Kasachstan hin, das grosse Uranvorkommen hat.

Ist die zivile Nutzung der erste Schritt zum Aufbau eines militärischen Atomprogramms? Nein, sagt der Istanbuler Strategieexperte Sinan Ülgen. Die Türkei habe sämtliche Abkommen zur atomaren Rüstungskontrolle unterzeichnet und würde nicht eigenmächtig vorgehen. Die Kosten, die ein wildes Nuklearprogramm hätte, wären politisch und wirtschaftlich enorm. Zum Beispiel wegen Sanktionen und somit internationaler Isolierung. Dazu sei weder die türkische Politik noch die türkische Öffentlichkeit bereit, ist Sinan Ülgen überzeugt.

Hinzu komme, dass die Türkei als Mitglied im westlichen Militärbündnis NATO bereits nuklearen Schutz habe. Allerdings waren die Beziehungen zum Westen auch schon besser.

Echo der Zeit, 14.03.2021, 18 Uhr

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