Die Brandmarkung des Feminismus in Russland und auch in Serbien hält die Politologin Leandra Bias für die Versuche von Wladimir Putin und Aleksandar Vucic, ihre Form des Regierens zu legitimieren.
Das Vorgehen ist simpel und so alt wie die Politik. Zunächst werde der Feminismus als westliches Machtinstrument gebrandmarkt, sagt Bias, und dann zum neo-imperialistischen Exportgut hochstilisiert, das ihre Gesellschaften zum Einsturz bringt. Von da aus ist es nur noch ein Katzensprung zum Rundumschlag gegen Demokratie und Menschenrechte.
Demokratie und Frauenrechte als westliches Exportgut
«Für die Feminismusbewegung in Serbien und Russland ist das problematisch», sagt die Politologin. Diese Angriffe schüchtern die Aktivistinnen und Aktivisten ein und führen zu einer starken Selbstzensur. Wenn in Russland Feministinnen von höchster Ebene als fünfte Kolonne bezeichnet und NGOs gezielt verfolgt würden, so Bias, werde der Handlungsspielraum für feministisch-politischen Aktivismus stark eingeschränkt.
Das Ziel in beiden Ländern sei es, mit dieser Argumentation die Frauenrechte zurückzubinden. Und dabei geht es nicht nur um die Gleichstellung der Geschlechter, sondern neuerdings – wie in Russland seit Beginn des Ukrainekriegs – auch um reproduktive Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. In Serbien dient das Argument vom neo-imperialistischen Kulturexport als Instrument, um der LGBTQIA+-Bewegung das Leben schwer zu machen.
Für Putin ist häusliche Gewalt eine Erfindung des Westens
Dieser anachronistische Rückzug auf patriarchalische Positionen schadet aber nicht nur dem Feminismus, ist Bias überzeugt, sondern auch den Frauen selbst.
Ein Beispiel: Russland ist mit Belarus das einzige Land im postsowjetischen Raum, das keine Gesetzgebung zur häuslichen Gewalt kennt. Im 2016 kam man dann so weit, einen Gesetzespassus zu installieren, der häusliche Gewalt zumindest anerkennt, freilich ohne sie zu verbieten. Aber bereits sechs Monate später sei dieser Passus wieder rückgängig gemacht worden, erzählt Bias.
Antifeminismus ist tatsächlich international
Die Betroffenen in beiden Ländern reagieren im Wesentlichen mit drei Strategien auf diese Angriffe. Das haben Bias' Forschungen ergeben, deren Daten noch aus der Zeit vor Russlands Einmarsch in die Ukraine stammen.
Zum einen würden Feministinnen und Feministen in diesen Ländern ihre eigene Handlungsfähigkeit und ihre Eigeninitiative unterstreichen, sagt Bias. Eine zweite Strategie besteht darin, den Feminismus im Land sichtbar zu machen. Beide Länder – Russland und Serbien – weisen eine lange Frauengeschichte auf. Indem diese Geschichte zur Darstellung gelangt, wird deutlich, dass Feminismus nicht von aussen kommt, sondern zum Land und seiner Tradition gehört.
Als die dritte Strategie bezeichnet Bias die explizite Politisierung dieser Rechtsdemontagen. Die Bewegung würde zeigen, dass Anwürfe, wie sie aus der Feder Putins oder Vucics kommen, unverkennbar eine politische Strategie sind. Und es gehöre zur Ironie der Geschichte, dass der Antifeminismus als politische Strategie tatsächlich ein Import aus dem Westen sei, so Bias. «Diese Strategie gibt es nicht nur in Russland und in Serbien, sie ist in der Tat international.»