«No hay plata»: Es gebe kein Geld, sagte Javier Milei im Dezember zu Beginn seiner Amtszeit. Seine Regierung übernahm ein Land in Krisenstimmung, mit Massenarmut und hoher Inflation. Das Versprechen: eine Rosskur mit weniger Staat, mehr Markt, begleitet von einem harten Sparprogramm, das Opfer fordern würde.
Drei Monate nach Amtsantritt geben die Zahlen ein widersprüchliches Bild ab. Die Inflation scheint vorerst ein Stück weit ausgebremst: Mit 13.2 Prozent lag sie im Februar deutlich unter den 25 Prozent im Vormonat.
500 Protestaktionen gegen Milei
Gleichzeitig bereitet die soziale Situation Sorge. Die Armutsziffern sind von knapp über 40 auf 57 Prozent gestiegen. Die Renten haben rund ein Drittel ihrer Kaufkraft verloren. Die Ausgaben für Sozialprogramme sind um 60 Prozent gesunken.
Allein am Montag gab es laut Medienberichten mehr als 500 Protestaktionen im Land. Einige wurden mit brutalem Gewalteinsatz von der Polizei beendet. Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass trotz allen Schwierigkeiten mehr als vierzig Prozent der Bevölkerung hinter dem libertären Präsidenten stehen.
Argentinien polarisiert wie selten zuvor: Mileis Anhänger sind froh, dass mit ihm ein neuer Wind in der Casa Rosada, dem Regierungsgebäude, weht. Sie wollten die peronistische Vorgängerregierung aus dem Amt jagen. Wenn nun die Preise steigen, die Löhne nicht mitziehen, der Alltag schwierig wird: Sie sind bereit, es zu ertragen.
IWF warnt Milei vor übertriebenen Kürzungen
Auf der anderen Seite stehen jene, die ihre letzten Ersparnisse aufbrauchen oder die einfach nicht mehr können. Die schon vor Mileis Amtsantritt kaum über die Runden kamen und nun nicht mehr ein und aus wissen. Denn viele Armenspeisungen erhalten seit Dezember keine Nahrungsmittel mehr von der Regierung.
Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) legte Milei bereits öffentlich nahe, es mit den Kürzungen von Sozialprogrammen nicht zu übertreiben. Im Parlament muss Milei um Mehrheiten kämpfen. Nicht einfach, nachdem er den Kongress als «Rattennest» beschimpft hatte.
Mileis Credo: Wo der Staat eingreift, werden die Probleme nur schlimmer. Kurz nach Amtsantritt preschte er gleich los mit einem Mega-Dekret, das unter anderem die Mitgliedsbeiträge von Krankenversicherungen deregulierte und ein Mieterschutzgesetz abschaffte.
Die Folge: Die Versicherungsbeiträge schnellten in die Höhe. Gervasio Muñoz vom Mieterschutzbund beschreibt die Folgen der Deregulierung für Mieter: «Verträge können jetzt für drei oder sechs Monate abgeschlossen werden. Wir hatten eine Anfrage, ob der Mietzins an den Preis der Coca-Cola gebunden sein darf. Die Antwort ist ja: Alles, was jemand in einen Mietvertrag schreibt, ist jetzt legal.»
Die Leute haben einfach kein Geld.
Nahrungsmittel sind deutlich teurer geworden. Joghurt kostet meist mehr als 1 Franken, Haferflocken gibt es für 3 Franken und eine Dose Champignons für 2.10 Franken – bei einem Mindestlohn von umgerechnet 210 Schweizer Franken im Monat.
Horacio Cajide, der einen kleinen Supermarkt besitzt, berichtet, der Umsatz sei in den vergangenen drei Monaten um 30 Prozent eingebrochen. «Die Leute haben einfach kein Geld», so Cajide. «Ich versuche, die Preise so wenig wie möglich anzuheben. Aber irgendwann ist es einfach nicht mehr rentabel, meine Unkosten steigen ja auch. Ich weiss nicht, wo das hinführen soll.»
Mileis Argentinien ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang.