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Südafrika: Leben in der Hüttensiedlung
Aus Rendez-vous vom 16.10.2024. Bild: SRF/Sarah Fluck
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Arm am Kap der guten Hoffnung In den Slums von Johannesburg ist die Hoffnung verflogen

Trotz eines jahrzehntelangen Wohnbauprogramms leben in Südafrika noch immer Millionen Menschen in Wellblechhütten. Wie Amanda und Monica.

Ezimbhuzini in Soweto, südwestlich von Johannesburg, ist eine von zahlreichen Hüttensiedlungen in der Region. «Manchmal kämpfen sie mit Waffen. Dann schlagen die Kugeln hier ein», sagt Amanda.

Der Raum ist so klein, dass zwischen Bett und Wellblech kaum Platz ist. An einem Nagel hängt eine Tasche mit Kleidern. «An manchen Morgen klopfe ich von aussen an die Wand, und frage die Nachbarin: Lebst Du noch?»

Hier zu wohnen, ist nicht sicher.
Autor: Monica 35-jährige Südafrikanerin und neunfache Mutter, lebt in Soweto

Manchmal müsse sie die Nachbarin auch schütteln, um sicher zu sein, dass sie noch am Leben sei, erzählt Amanda. «Hier zu wohnen, ist nicht sicher», sagt Monica. Und Amanda dankt jeden Morgen Gott dafür, dass sie heil erwacht ist.

Hitze im Sommer, Kälte im Winter

Manche nennen Orte wie Ezimbhuzini das «ugly Soweto» – das hässliche Soweto. Fünf- bis sechstausend Menschen leben hier. Dicht an dicht, in armseligen, engen Hütten aus Wellblech und Holz. Im Sommer wird es darin unerträglich heiss, im Winter beissend kalt.

Der Strom wird illegal abgezapft

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Wenn es regnet, erzählt Amanda, tropft es immer wieder irgendwo rein. «Und wenn es windet, wackeln die Wände.» Den Strom zapfe man hier illegal ab. Ezimbhuzini ist einer jener Orte, wo der Griff zum selbst gebrannten Schnaps für viele bereits frühmorgens zur Routine gehört. Die Drogen sind billig, die Bandenkriminalität gehört zum Alltag.

Es ist ein Ort voller enttäuschter Hoffnungen. Auch Monica und Amanda hatten ihre Träume, als sie ihre Heimatdörfer im Ostkap verliessen – der ärmsten Provinz Südafrikas. Monica kam vor rund 20 Jahren nach Soweto, Amanda vor fünf Jahren.

Verlassene Hütte mit Schrott und offenem Eingang.
Legende: Ein winiziger Raum muss Amanda reichen. Im Sommer ist es darin unerträglich heiss, im südafrikanischen Winter bitterkalt. SRF/Sarah Fluck

Mit viel Hoffnung waren sie auf der Suche nach Arbeit in den Grossraum Johannesburg gekommen, den Wirtschaftsmotor Südafrikas.

Sie habe eine Ausbildung im Büro begonnen, erzählt Amanda, sie aber nicht beendet. Denn ihre Eltern verloren ihre Arbeit und die Familie brauchte Geld, damit die jüngeren Geschwister weiterhin zur Schule gehen konnten.

Also lagen die Hoffnungen auf Amanda. Sie hat sie bisher nicht erfüllen können.

Mindestens jeder dritte ohne Arbeit

Viel zu viele Menschen in Südafrika haben keinen Job. Landesweit beträgt die Arbeitslosenquote mehr als 33 Prozent. Und das ist bloss die offizielle Zahl. Bei den Jugendlichen sollen es sogar über 60 Prozent sein. Von einer «Krise der Arbeitslosigkeit» schrieb unlängst ein bekanntes Online-Portal.

Reporter interviewt zwei Frauen im Freien.
Legende: Monica (links) und Amanda im Interview mit SRF-Reporterin Veronika Meier. Die beiden Frauen haben viel von ihrer Hoffnung auf ein besseres Leben verloren. SRF/Sarah Fluck

Eine einfache Lösung gibt es nicht. Und so hängen viele am Tropf des Staates. Sie erhalten sogenannte Grants. Zuschüsse. Sozialgelder. Auch Monica und Amanda erhalten umgerechnet rund 40 bis 60 Franken monatlich.

Wenn ihr wiederkommt – bringt uns warme Kleider. Damit wir abends nicht frieren müssen.
Autor: Amanda 35-jährige Südafrikanerin, lebt in Soweto

Das ist auch in Südafrika nicht viel, in diesem Land, in dem die Ungleichheit zwischen Arm und Reich so gross ist wie sonst nirgends auf der Welt. «Das Geld reicht nicht», sagt Monica. Nicht einmal fürs Essen – für sich, für ihren Mann, ihren Grossvater und ihr Kleinkind.

Soweto: mehr als drei Millionen Menschen

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Soweto («South Western Townships») liegt rund zwölf Kilometer südwestlich des Stadtzentrums von Johannesburg. In den rund 30 Townships Sowetos leben auf 130 Quadratkilometern wohl rund 3.5 Millionen Menschen. Seit 2002 gehört Soweto zur Metropolgemeinde City of Johannesburg. 1976 startete in Soweto ein später landesweiter Aufstand gegen das damalige von Weissen installierte Apartheid-Regime.

Monica lebt mit ihnen auf nicht einmal zwölf Quadratmetern. Ihre acht weiteren Kinder leben bei Verwandten im Ostkap. Für sie könne sie nicht auch noch sorgen, sagt sie.

Die Illusionen sind weg

Eine Arbeit, ein anständiges Haus, ein besseres Leben. Das ist alles, wovon Monica träumt. Wie Amanda ist Monica 35 Jahre alt. Beide wären jung genug, um eine Zukunft zu haben. Doch ihr melancholischer Blick und die Enttäuschung in ihren Augen lassen vermuten, dass sie ihre Illusionen längst verloren haben.

Das Gespräch mit den beiden Frauen wird jäh unterbrochen. Keine dreissig Meter entfernt haben sich junge Männer versammelt. Es werden immer mehr. Der lokale Mitarbeiter drängt zum Aufbruch.

Bevor wir wegfahren, sagt Amanda: «Wenn ihr wiederkommt – bringt uns warme Kleider. Damit wir abends nicht frieren müssen.»

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Archiv: Südafrika am Scheideweg
aus International vom 10.08.2024. Bild: SRF Sarah Fluck
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Rendez-vous, 16.10.2024, 12:30 Uhr;kobt

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