Der Asien-Sicherheitsgipfel, der jeweils vom Londoner Strategieinstitut IISS organisiert wird, heisst offiziell «Shangri-La-Dialogue». Shangri-La ist der Name des Luxushotels in Singapur, wo er stattfindet – und zugleich ein fiktiver Ort in Tibet, wo Menschen in Frieden und Harmonie leben. Insofern passt die Bezeichnung ausgesprochen schlecht zur politischen Gemengelage in Ost-, Südost- und Südasien.
Zwar entwickelt sich nicht alles negativ, aber manches schon. Zum Positiven: Nach fast zweijähriger Funkstille sind die USA und China zurückgekehrt zu ihrem verteidigungs- und militärischen Dialog. Sie wollen ihn nun weiterführen und permanente Kommunikationskanäle einrichten. Offenkundig empfindet man inzwischen auf beiden Seiten die Situation als derart angespannt, dass solche Kontakte zwingend sind, damit aus Streitigkeiten keine offenen Konflikte werden und offene Konflikte zu Kriegen führen.
Das Problem: Man redet zwar miteinander, aber – und das zeigten die Auseinandersetzungen in Singapur – man redet aneinander vorbei. Beide Supermächte empfinden ihr eigenes Verhalten als rein defensiv und reaktiv, jedoch jenes des Widersachers als aggressiv und offensiv.
Bedürfnis nach Rückendeckung
Die USA sehen sich nicht nur als atlantische, sondern auch als pazifische Macht. Ihre Präsenz im Westpazifik reicht lange zurück. An ihr halten sie fest. Derzeit bauen sie gar ihre diversen regionalen Allianzen und Kooperationen in hohem Tempo aus. Das hat – aus Washingtoner Perspektive – einzig damit zu tun, dass zahlreiche regionale Staaten genau das fordern.
Angefangen von Japan und Südkorea über Australien und Neuseeland bis zu den Philippinen. Selbst Indien will neuerdings mit den USA bis zu einem gewissen Punkt auch militärisch kooperieren. Oder gar Vietnam. Das Bedürfnis nach US-Rückenstärkung wiederum hat mit dem forschen, ja aggressiven Verhalten Chinas und mit dessen Vormachtstreben in Asien zusammen. China will zu viel und das zu schnell – so sehen das viele Länder der Region.
Aus chinesischer Optik hingegen verbirgt sich hinter all dem amerikanisches Dominanzstreben und Washingtons Absicht, eine asiatisch-pazifische Nato aufzubauen. Das wird von der US-Führung entschieden bestritten – und es wäre auch unrealistisch. Zu gross sind die politischen Differenzen zwischen möglichen Bündnispartnern. Und zu gering die Bereitschaft, nötigenfalls in den Krieg zu ziehen, wenn ein Allianzmitglied bedroht ist – obschon genau das der Kern jedes Militärbündnisses ist. Man rückt also enger zusammen, aber ganz so eng denn doch nicht.
Fehlendes Verständnis
Peking sieht das völlig anders. Und rechtfertigt wiederum sein Verhalten mit der Gefahr, von feindlichen, US-nahen Ländern umzingelt zu werden. Und treibt just mit seinen Aggressionen – etwa gegenüber Taiwan und neuerdings den Philippinen – asiatische Mächte in die Umarmung der USA.
Gleichzeitig versucht China selber, Allianzen mit regionalen Mächten zu schmieden und bietet militärische Zusammenarbeit an. Myanmar, Kambodscha und Laos sind bereits klar im chinesischen Lager zu verorten, Thailand bewegt sich in diese Richtung. Die Machthaber in Peking liessen in Singapur auch klar erkennen, dass sie jegliches US-Engagement in Ostasien als störend, spaltend und stabilitätsgefährdend sehen. Sie sagen ganz unverblümt, dass sie die USA am liebsten weg hätten aus dieser Weltgegend. Ami go Home.
Mangelndes Verständnis, fehlendes Vertrauen befeuert die Spannungen. Auch Asien, der industrielle Maschinenraum der Welt, kommt so bald nicht zur Ruhe. Eine Eskalation ist jederzeit möglich. Sie würde wohl unweigerlich zu einem Dritten Weltkrieg führen.