Darum geht es: Die EU will mit Finanzhilfen im Umfang von rund einer Milliarde Euro den Zustrom von bislang in Libanon lebenden Flüchtlingen aus Syrien stoppen, das hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Beirut angekündigt.
Der Hintergrund: In Zypern steigt die Zahl der ankommenden Menschen in letzter Zeit stark an. So sind seit Jahresbeginn rund 4000 Migrantinnen und Migranten nach Zypern gekommen. Im ersten Quartal 2023 waren es bloss deren 78 gewesen. Im Verhältnis zur Bevölkerung auf Zypern kommen derzeit in keinem anderen EU-Land so viele Migrantinnen und Migranten an. Deshalb ruft Zypern nun die EU zu Hilfe – und diese hat von der Leyen nach Zypern geschickt. Offenbar hat die EU einen Plan, wie der Zustrom der Menschen – die meisten von ihnen kommen aus Libanon, viele sind Syrer – gebremst werden soll.
Die Lebensbedingungen für die Migranten in Zypern sind schlecht, die Menschen sind frustriert.
Kapazitäten ausgeschöpft: Die Asylzentren auf der Insel mit rund 1.2 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern sind überfüllt, die Aufnahme-Kapazitäten ausgeschöpft. Im vergangenen Jahr wurden rund 11'000 Asylanträge in Zypern eingereicht, weitere 27'000 Flüchtlinge warten seit längerem auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge. «Die Lebensbedingungen für die Migranten sind schlecht, die Menschen sind frustriert», sagt Thomas Seibert. Der in Istanbul lebende Journalist befindet sich derzeit in Zypern. So sei es auch schon zu grösseren Schlägereien in Asylbewerberzentren gekommen, etwa zwischen Syrern und Afrikanern.
Die Rolle Libanons: Viele der in Zypern ankommenden Flüchtlinge sind Syrerinnen und Syrer. Sie starten ihre Reise in Richtung Europa in Libanon, wohin sie im Zuge des Bürgerkriegs in ihrer Heimat geflüchtet sind. Rund 1.5 Millionen Syrer leben in Libanon – einem Land, das selber am Abgrund zum gescheiterten Staat steht. Die Situation für die Syrer in Libanon ist sehr schwierig, Human Rights Watch berichtet von willkürlichen Festnahmen von Syrern, Folterungen und Ausweisungen nach Syrien. Und so bleibt denen, die es sich leisten können, als einziger Ausweg die Fahrt in Richtung Europa, übers Meer ins 170 Kilometer entfernte Zypern. Der Landweg über die Türkei ist versperrt.
Die zyprische Regierung will gewisse Gebiete in Syrien zu sicheren Gebieten erklären, in die Syrerinnen und Syrer zurückkehren können.
Bisherige Massnahmen: Die zyprische Regierung hat in den vergangenen Jahren mehr Plätze in den Asylbewerberzentren geschaffen, doch diese sind längst belegt. Und im Grunde gilt seit 2020 ein Abkommen zwischen Zypern und Libanon, in dem sich Libanon verpflichtet, Syrer zurückzunehmen. Doch das Land hat selber massive Probleme, nicht nur mit den Hunderttausenden Syrern im Land. «Deshalb nimmt Libanon keine Syrerinnen und Syrer mehr zurück», so der Journalist Seibert. Die EU ihrerseits will das Problem nun angehen, indem Libanon viel Geld bezahlt wird, damit das Land die Syrer von der Überfahrt nach Zypern abhält.
Hoffnung auf die EU: Sicher ist, dass Zypern das Problem nicht alleine lösen kann. Deshalb schwebt Brüssel jetzt ein Abkommen mit Libanon vor, ähnlich jenen mit der Türkei, Tunesien und Ägypten. Für die zyprische Regierung sei das zwar ein wichtiger, aber bloss ein erster Schritt, sagt Seibert. «Sie will selber gewisse Gebiete in Syrien zu sicheren Gebieten erklären, in die Syrerinnen und Syrer zurückkehren können.» Offiziell lehnt die EU dieses Vorgehen zwar ab – trotzdem plant Zypern, zusammen mit einigen EU-Ländern demnächst eine Delegation nach Syrien zu schicken, um diese Möglichkeit auszukundschaften, weiss der Journalist.