Milena möchte nur ihren Vornamen nennen. Sie ist eine griechische Bauunternehmerin, hat Kunden im Ausland, vor allem aber in Griechenland. Ihren Firmensitz allerdings hat sie vor kurzem nach Zypern verlegt. Denn der griechische Staat fordere immer mehr Geld. «Wir Unternehmer müssen den grössten Teil des Jahres nur für die Steuern arbeiten», sagt sie.
Fast 200 Tage pro Jahr für den Staat arbeiten
Die konservative Zeitung «I Kathimerini» rechnete eben vor, dass Griechinnen und Griechen im Durchschnitt die ersten 198 Tage des Jahres, also bis Mitte Juli, lediglich für die Steuern tätig sind. Die Bauunternehmerin Milena klagt denn auch, dass die Steuern hoch seien, die Leistung des Staates aber klein. Die Schulen seien schlecht, die Spitäler überfordert. In Zypern sei alles einfacher und das System fair.
Mit «fair» meint die griechische Unternehmerin in erster Linie die Steuern. Sie zahle mit 15 bis 25 Prozent deutlich weniger – je nachdem wie viel sie verdiene.
Viele Unternehmen wandern ab
Milena ist nicht die einzige Unternehmerin, die Griechenland in den letzten Jahren den Rücken gekehrt hat und nun von Zypern aus Geschäfte macht. Andere gingen nach Bulgarien. Der griechische Staat kann nur dann eingreifen, wenn die Firmen nicht ihr Geschäft, ihre Aktivität, sondern lediglich den Briefkasten ins Ausland verlegen.
Georgios Milonogiannis ist Anwalt und Steuerberater in Athen. Er sagt, dass die griechischen Steuerbehörden heute effizienter arbeiteten als 2010. Sie seien besser ausgerüstet und kontrollierten die Firmenbuchhaltungen tatsächlich. Und trotzdem gebe es noch immer viele, die mit simplen Tricks massiv Steuern hinterziehen. Etwa mit Bargeld.
Der Bargeld-Trick des Zahnarztes
«Bargeld hinterlässt wenig Spuren», so Milonogiannis. Meist funktioniert es so: Ein Zahnarzt zum Beispiel kassiert sein Honorar für eine Behandlung bar vom Patienten. Davon profitieren Arzt und Kunde, denn sie umgehen die 24-prozentige Mehrwertsteuer. Diesen Mechanismus zu brechen sei schwer, weil sowohl der Arzt als auch der Patient profitierten. Der erste verdiene mehr, der zweite zahle weniger.
Die Steuerhinterziehung mit Bargeld, ohne Rechnung und Mehrwertsteuer, sei vor allem unter den Besitzern kleiner Firmen und den zahlreichen Freiberuflern weit verbreitet. «Anwälte, Architekten, Gärtner, Babysitter, Klempner nutzen dieses Schlupfloch», sagt der Steueranwalt. Wer hingegen einen Lohnausweis habe, könne kaum Steuern hinterziehen. Milonogiannis meint damit Angestellte und Rentner.
Der Steueranwalt bilanziert: Einfache Leute mit ihren in der Krise zum Teil massiv geschrumpften Löhnen zahlten überdurchschnittlich viel Steuern, während Kleinfirmen und oft wohlhabende Freiberufler schlüpfen.
Grosse Firmen bezahlen ihre Steuern
Wie aber sieht es bei den grossen Firmen aus? Papoutsanis zum Beispiel. Das ist die grösste Seifenfabrik Griechenlands. Der Direktor, Menelaos Tassopoulos, klagt, der Steuerdruck für ihn und sein Unternehmen sei enorm. «Direkte und indirekte Steuern werden jedes Jahr höher, auch die Sozialabgaben steigen», stellt er fest.
Experten wie Steueranwalt Milonojannis attestieren den griechischen Grossbetrieben – von denen es allerdings nicht sehr viele gibt –, dass sie ihre Steuern tatsächlich bezahlen. Das bestätigt der Seifenindustrielle Tassopoulos. Bei grossen Firmen wie seiner spiele zum Beispiel die Bargeldzahlung keine Rolle. Alles laufe über Banken und sei kontrollierbar. Hinterziehung liege nicht drin.
Wenn bloss alle ihre Steuern bezahlen würden
Papoutsanis liefere unterdessen fast die Hälfte der Seifen ins Ausland. Weil er aber alles nach wie vor in Griechenland produziere, zahle er hier auch sämtliche Steuern.
Griechenlands Wirtschaft könne nur dann nachhaltig wachsen, wenn der Steuerdruck deutlich abnehme. Doch dafür – sagen die Experten – müssten aber alle Steuern zahlen. Genau das ist sei aber noch immer nicht der Fall.