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Aufflammende Gewalt In Syrien breitet sich der Krieg aus – ein Überblick

Nach dem plötzlichen Wiederaufflammen des syrischen Bürgerkriegs hat der Konflikt die bedeutende Stadt Homs erreicht. Ein Überblick.

Die Offensive: Der Bürgerkrieg in Syrien, der vor 13 Jahren ausbrach, flammt nach Jahren einer Waffenruhe wieder auf. Rebellen unter der Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) haben Mitte vergangener Woche im Nordwesten Syriens eine Offensive gegen die syrische Armee begonnen. Dabei haben sie grosse Geländegewinne erzielt und am Wochenende gar die Kontrolle über die Millionenstadt Aleppo übernommen – die zweitgrösste Stadt des Landes. Nun haben die Kämpfe auch die Stadt Homs erreicht, wo die syrische Armee laut der staatliche Nachrichtenagentur Sana einen Drohnenangriff abgewehrt hat. Homs galt im Bürgerkrieg als eine der zentralen Städte des Konflikts.

Die Gegenwehr: Syriens Streitkräfte mobilisieren momentan ihre Truppen. Diese hätten sich in den ländlichen Gebieten von Aleppo, Hama und Idlib in Stellung gebracht, berichtete der Generalstab. Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat eine Gegenoffensive angekündigt und schlägt mithilfe seiner Verbündeten zurück. Luftangriffe auf Wohngebiete der Rebellenhochburg Idlib, Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements, haben einen Massenexodus ausgelöst. Anwohnerinnen und Anwohner berichteten von katastrophalen humanitären Folgen.

Bereits mehr als 500 Menschen gestorben

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Im Zuge der neuen Gefechte sind Aktivisten zufolge mehr als 500 Menschen getötet worden. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die mit einem breiten Netz an Informantinnen und Informanten stets gut informiert ist, waren unter den Todesopfern auch 92 Zivilpersonen.

Laut der Beobachtungsstelle kamen unter den Aufständischen mindestens 217 Kämpfer der Rebellengruppe HTS ums Leben sowie 51 Kämpfer der sogenannten «Freien Syrischen Armee», die von der Türkei unterstützt wird. Aufseiten der syrischen Soldaten und regierungstreuen Truppen gab es demnach 154 Todesopfer.

Die Unterstützung: Etwa 200 vom Iran unterstützte Kämpfer sind nach Angaben von Aktivisten vom Irak nach Ostsyrien eingereist, um die unter Druck geratene syrische Regierung beim Kampf gegen die Rebellen zu unterstützen. Der Chef des Milizen-Bündnisses, die sogenannte Volks­mobilisierungs­einheiten (PMU), dementierte dies. Die PMU sind ein irakisches Bündnis aus mehrheitlich schiitischen Milizen, das 2014 zur Bekämpfung des IS gegründet wurde und heute eine bedeutende politische und militärische Kraft im Land darstellt. Syriens Diktator al-Assad hatte am Sonntag vom Iran Hilfe erbeten und war am Samstag in Moskau bei Russlands Präsident Wladimir Putin zu Besuch.

Al-Assads Verbündete

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Der Iran und Russland sind im syrischen Bürgerkrieg Unterstützer der Regierung und haben dazu beigetragen, dass Baschar al-Assad die Rebellen vor Jahren zurückdrängen konnte. Beide Verbündete sind aber derzeit in andere Konflikte eingebunden. Russland kämpft in der Ukraine, der Iran ist durch den Konflikt der Hisbollah im Libanon mit Israel militärisch geschwächt. Jedoch haben beide Staaten ihre Unterstützung für Assads Regime zugesichert. Russland flog bereits Luftangriffe gegen die Milizen.

Die Reaktion der Türkei und Russlands: Der russische Präsident Wladimir Putin hat seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan in einem Telefonat nach Kremlangaben aufgefordert, zur Wiederherstellung der Stabilität im Bürgerkriegsland Syrien beizutragen. Ankara müsse seinen Einfluss in der Region nutzen, um die verfassungsmässige Ordnung wiederherzustellen, hiess es in einer Kreml-Mitteilung zu dem Telefonat. Putins in dem Land stationierte Truppen gelten als Schutzmacht für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad. Erdogan sagte nach Angaben seines Kommunikationsbüros, dass die Türkei an einer gerechten und dauerhaften Lösung arbeite.

Humanitäre Lage verschlechtert sich

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Durch die neuen Kämpfe im Nordwesten Syriens hat sich die humanitäre Lage für unzählige Menschen auf dramatische Weise verschärft. Brot und andere Lebensmittel würden knapp, berichteten Anwohner der Agentur dpa. Der Norwegische Flüchtlingsrat warnte: «Die jüngste Eskalation in Syrien droht, das Land zurück in die dunkelsten Tage des bald 14 Jahre langen Konflikts zu ziehen.» In Aleppo seien die Lebensmittel knapp und zudem wegen Schäden am Wassernetz auch die Wasserversorgung betroffen. «Der Bedarf ist enorm», teilte die Hilfsorganisation mit. Vertriebene kämen in Flüchtlingslagern an, ohne Kleidung, um sich vor dem kalten Winter zu schützen.

So reagiert die Schweiz: Angesichts dieser Ereignisse zeigt sich nun auch die offizielle Schweiz besorgt. Der Kommunikationschef des Eidgenössischen Aussendepartements EDA fordert alle Parteien dazu auf, das Völkerrecht zu respektieren und die Zivilbevölkerung zu schützen, heisst es in einem Post auf X. Weiter fordert die Schweiz eine dringende Deeskalation und die Wiederaufnahme eines politischen Prozesses.

Russland und USA streiten bei UNO: Russland und die USA sind am Dienstag (Ortszeit) bei den Vereinten Nationen aneinandergeraten. Sie haben sich während einer Sitzung des Sicherheitsrats gegenseitig der Unterstützung des Terrorismus beschuldigt. Der stellvertretende US-Botschafter bei der UNO, Robert Wood, forderte eine Deeskalation der Kämpfe.

UNO-Sondergesandter: «Internationale Sicherheit bedroht»

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Der UNO-Sondergesandte Geir Pedersen schrieb in einem Statement in den sozialen Medien, das Wiederaufflammen der Gewalt sei ein Zeichen kollektiven Versagens. Die syrischen Parteien und die wichtigsten internationalen Akteure müssten sich nun ernsthaft um Frieden bemühen. Denn die neuesten Entwicklungen würden nicht nur die syrische Zivilbevölkerung bedrohen, sondern auch die regionale und internationale Sicherheit, so Pedersen weiter.

Tagesschau, 02.12.2024, 19:30 Uhr ; 

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